Engagiert, fokussiert und mit Herz bei der Sache – im Interview mit Said Haider von Zahnräder e.V.

Said Haider ist Jurist und seit Dezember 2015 Vorstandsvorsitzender von Zahnräder e.V. Der gebürtige Hamburger afghanischer Abstammung war Stipendiat der Deutschlandstiftung Integration und war 2014 für den Deutschen Engagement Preis „Miteinander der Generationen“ nominiert.

In einem Beitrag zur Serie „Jung, muslimisch, deutsch“ von dw sagte er einmal: „Für mich ist der Glaube die Urmotivation. Es ist das was einen antreibt zu leben, zu handeln, zu lieben und zu denken.“

Im Interview mit BASMA Magazine erzählt er uns von seiner Arbeit im Zahnräder-Netzwerk, warum er selbst im Netzwerk aktiv wurde und was uns auf der Zahnräder Bundeskonferenz erwartet, die im Mai in München stattfinden wird.

Said, lass uns doch gleich ins Thema einsteigen. Das Zahnräder Netzwerk besteht seit 2010 und wächst seitdem rasant. Gib uns doch bitte einen kurzen Einblick wer die Zahnräder sind und was sie bewirken wollen.

Ja, gerne! Wenn ich erkläre was wir Zahnräder machen, beginne ich gerne mit dem Bedarf, der herrscht. Es gibt eine Szene muslimischer Gründer, die sich sozial engagieren möchten und im Grunde genommen alle die gleichen Fragen haben: Ist mein Projekt gut genug? Gibt es die Idee schon? Wie kann ich meine Arbeit besser und nachhaltiger machen? Es gibt bereits eine Community, die Projekte fördert und bei der Ideenentwicklung hilft. Der Link zwischen Muslimen, die Ideen haben und der Start-Up-Szene ist allerdings nicht gegeben. Das Zahnräder Netzwerk möchte eine Brücke sein zwischen dem was bereits angeboten wird und muslimischen Ideengebern. Dabei nehmen wir uns besonders gerne den Projekten an, die einen sozialen Wert innehaben.

Das Ziel der Zahnräder ist das Sozialunternehmertum unter Muslimen zu fördern. Konkret bedeutet das das Engagement von Muslimen zu professionalisieren. D.h. den Teilnehmern unserer Konferenz die Möglichkeit zu geben, das, was sie machen, nachhaltiger zu gestalten. Als Zahnräder bieten wir drei Dinge an: finanzielle Förderung durch das von uns vergebene Preisgeld auf der Bundeskonferenz und eine ideelle Förderung durch Mentoring, sowie das Schaffen einer Öffentlichkeit für die Projekte unserer Teilnehmer. Außerdem bieten wir ein Netzwerk engagierter Muslime auf das man zurückgreifen kann.

Wir sind eine ehrenamtliche Organisation, geleitet von einem Kernteam. Innerhalb dieses Kernteams arbeiten bis zu 80 Zahnräder an verschiedensten Stellen von der Presse, über das Personalwesen bis hin zur IT. Vom professionellem Grad her stehen wir durchschnittlich irgendwo zwischen Studienabschluss und dem Berufseinstieg. Gestartet ist das Netzwerk mit 7 Mitgliedern 2010. Was interessant ist, ist die Art, wie das Netzwerk gewachsen ist. Es gab von Anfang an eine sehr hohe Nachfrage von Leuten, die mitmachen wollten. Aber die Gründer haben sich viel Zeit gelassen das Konzept auszuarbeiten und zu festigen. Und dann kamen nach und nach immer mehr Menschen dazu, die die Zahnräder unterstützt haben – man kann sagen, dass sich die Anzahl der Mitstreiter jährlich verdoppelt hat. Von 7 auf 14 auf 28 usw. Das mag von außen den Anschein haben, dass das Team rasant wächst. Tatsächlich verläuft der Prozess aber sehr kontrolliert.

Im Dezember wurdest du ja nun zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Wie ist das so?

Wie das so ist? Ich kann es immer noch nicht wirklich glauben. Es ist wahrscheinlich eines der coolsten Dinge, die ich bisher gemacht habe. Das hat einfach damit zu tun, dass ich ein hervorragendes Team habe, das sich vom Vorstand bis hin zu den einzelnen Zahnrädern aus Menschen zusammensetzt, die das Herz am rechten Fleck haben und mit hoher Motivation an die Arbeit gehen. Es macht einfach Spaß mit ihnen zu arbeiten. Nirgendwo sonst habe ich so zuverlässige und kompetente Menschen gefunden wie im Zahnräder Netzwerk. Von so vielen wunderbaren Menschen zum Vorstandsvorsitzenden gewählt zu werden, ist einfach der Hammer.

Das glaube ich dir. Jetzt hast du sicher jede Menge Aufgaben zu erledigen.

Ja, das stimmt. Bereits als stellvertretender Vorsitzender konnte ich mich mit bestimmten Aufgaben vertraut machen. Was jetzt hinzukommt sind z.B. Dinge der Öffentlichkeitsarbeit, z.B. als Botschafter der Zahnräder unterschiedliche Veranstaltungen besuchen um für unsere Werte zu werben.

Was bedeutet dir die Arbeit im Zahnräder Netzwerk persönlich?

Das Wort Leidenschaft verkörpert es sicherlich am besten. Selbst nach einem harten Arbeitstag, wenn ich total ausgepowert bin: für die Zahnräder habe ich immer Zeit. Einfach aus dem Grund, dass mir diese Arbeit so viel positive Energie gibt. Ich kann kreativ mit Menschen zusammenarbeiten, das ist der reinste Energieaustausch und gibt mir viel. An einem regnerischen Tag kann ich mir mit der Arbeit bei den Zahnrädern eine Portion Sonnenschein abholen.

Im Mai soll ja die nächste Bundeskonferenz in München stattfinden. Kannst du uns schon verraten worüber man sich als Teilnehmer freuen darf?

Auf der letzten Konferenz in Köln hatten wir ja bereits zwei Kategorien eingeführt. Zum einen die Beginner, die sogenannten Rookies, und zum anderen die Veterans, die schon seit mehr als 3 Jahren dabei sind. In München soll es nun eine dritte Kategorie geben, denn neben den bisherigen Teilnehmern werden dieses Mal Geflüchtete dabei sein, die vorstellen werden, wie sie die Gesellschaft sozial bereichern möchten. Das gab es so bisher noch nicht. Wir nennen die Geflüchteten bewusst Newcomer, da sie unglaublich viel Potenzial mitbringen. Wir glauben, dass die Newcomer mit ihren Ideen unsere Gesellschaft bereichern können und wollen ihre Ideen fördern. Für die Newcomer kann das ein Schritt sein sich in unserer Gesellschaft zu etablieren.

Wenn du dich für die Zahnräderkonferenz bewirbst, bekommst du also die Chance soziale Unternehmen aus 3 Kategorien kennen zu lernen.

Was war bisher dein persönliches Highlight auf den Konferenzen? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

[denkt nach] Die zufriedenen Gesichter der Teilnehmer. Zahnräder ist ein Ort an dem muslimische Engagierte auf Gleichgesinnte treffen. Das hat so einen Seltenheitswert, dass bei uns eine sehr vertraute Atmosphäre besteht, obwohl man sich noch nie gesehen hat. Es freut mich jedes Mal zu sehen, wie die Teilnehmer gestärkt aus der Konferenz nach Hause gehen und in ihren individuellen Projekten weiterarbeiten. Es werden Freundschaften im Netzwerk geschlossen und man nimmt Kontakte mit, um sich persönlich und professionell weiterzuentwickeln.

Ich war schon bei verschiedensten Netzwerkveranstaltungen und nirgendwo ist die Atmosphäre so harmonisch wie bei uns. Ich muss auch sagen, in unserer heutigen digitalen Welt ist es zwar einfacher geworden in Kontakt zu kommen, aber face to face zu sprechen ist eine total unterschätzte Sache. Im persönlichen Gespräch spielt die Vertrauenskomponente eine große Rolle. Du kannst Menschen besser vertrauen, wenn du mit ihnen einmal persönlich über ihre Visionen und Pläne gesprochen hast.

Was mich auch begeistert, ist die Tatsache, dass wir zwar ein Netzwerk für Muslime sind. Aber wie du deinen Glauben auslegst, steht nicht im Vordergrund; sondern was du damit machst. Wie du dich engagierst und wie du ihn zum Ausdruck bringst. Was zählt ist, wie du deine Vorhaben und Ideen umsetzt und was du im nächsten Jahr für dich und deine Idee erreichen möchtest.

Das ist ein gutes Stichwort! Was haben denn die Zahnräder für das nächste Jahr geplant?

Tja, was kann ich davon jetzt schon verraten? [lacht] Wir wollen uns auf jeden Fall weiterentwickeln. Wir wollen selbst den Schritt von einer ehrenamtlichen Organisation zu einer hauptamtlichen machen, um den Teilnehmern und Interessierten mehr mitgeben zu können. Wie das konkret geschehen soll, das feilen wir gerade im Hintergrund aus.

Das heißt ihr ruht euch nicht auf euren Lorbeeren aus.

Auf keinen Fall! Von allen muslimischen Organisationen in Deutschland leite ich derzeit eine mit großem Potential. Mit der stärksten Dynamik. Mit einer sehr großen Reichweite. Mein Ziel ist es stärker zu schauen, was die Bedürfnisse der Community sind. Wie kann Zahnräder als Brutkasten für Ideen von Muslimen noch präsenter sein und noch besser wirken?

Es ist also noch viel zu tun. Was muss ich tun, wenn ich mich selbst bei den Zahnrädern engagieren möchte?

Zum einen können Leute, die an unserer Arbeit interessiert sind, sich bei uns melden und einmal in die für sie passenden Aufgaben im Kernteam schnuppern und sich einbringen. Aber noch lieber ist es uns natürlich, wenn man selbst gründen möchte. [lacht] Daher empfehle ich die regionalen Zahnräder-X Gruppen, bei denen man sich vor Ort austauschen kann. Alle Infos dazu findet man auch auf unserer Website.

Herzlichen Dank für deine Zeit, Said! Wir freuen uns auf die Konferenz und auf spannende Neuigkeiten aus dem Netzwerk!

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