Interview mit Eman Idil: Modest Fashion bedeutet nicht automatisch Abayas

Journalistin, Fashion Editor, Yoga Lehrerin, Designerin, Unternehmerin, bald wieder Studentin … die Liste ist lang, wenn man beschreiben will, was Eman Idil beruflich macht. Im Interview mit BASMA Magazine spricht die 25 jährige Kanadierin mit somalischen Wurzeln offen und ehrlich über die Herausforderungen in der Modest Fashion Industrie, aber auch über Probleme innerhalb der muslimischen Community, die gerne unter den Teppich gekehrt werden.

Basma: Bitte erzähle uns etwas zu deinem Hintergrund und zu deiner Marke?

Eman Idil: Ich bin Designerin und Journalistin – geboren und aufgewachsen in einer Kleinstadt mitten in Kanada. Ich denke, dass Mode und Kunst irgendwie die authentischste Form des Geschichtenerzählens sind. Meine Marke ist ein Spiegelbild meiner Reise, auf welcher ich diese beiden Passionen zusammenzubringe. Eman Idil ist eine minimalistisch inspirierte Kleidungslinie, die sich darauf konzentriert, Geschichten zu erzählen und gerechte Arbeitsbedingungen für Frauen überall auf der Welt zu schaffen. Jedes Stück kommt mit einer Geschichte der Frau, die es angefertigt hat. Dies veranlasst Menschen darüber nachzudenken, woher Ihre Kleidung kommt.

© Antar Hanif

 

Basma: Welche Inspiration steckt in Deiner gegenwärtigen Kollektion?

Eman Idil: Meine gegenwärtige Kollektion ist vom Prozess des Erwachsenwerdens beeinflusst. Als junge Frau und POC in der Geschäftswelt findet man sich oft in Situationen wieder, in welchen man die jüngste oder die einzige Nicht-Weiße in einem Raum ist. Ich habe die Kollektion entworfen, damit alle Frauen Selbstvertrauen entwickeln und Bereiche erobern, die nicht für sie gemacht worden sind.

 


„Spenden bedeutet nicht, nur einmal im Jahr Zakat zu geben und den Rest des Jahres Bedürftige zu ignorieren.“


 

Basma: Wieviel Glaube steckt in deiner Mode und deinen Designs?

Eman Idil: Meine Religion lehrt mich, freundlich zu sein und diese Welt als einen besseren Ort zu hinterlassen. Die ganze Vision meiner Marke  baut auf diesen Grundpfeilern, die mir durch den Islam vermittelt worden sind. Spenden bedeutet nicht, nur einmal im Jahr Zakat zu geben und den Rest des Jahres Bedürftige zu ignorieren. Ich möchte eine Marke schaffen, deren Wurzeln darin liegen, eine bessere Welt für alle zu schaffen.

Basma: Denkst Du, dass der gegenwärtige Trend in der Modest Fashion zu weit geht („Hairline“, „Ankles“)?

Eman Idil: Ich denke nicht, dass es irgendjemand gestattet ist zu beurteilen, wie eine Frau sich anzuziehen hat. Aber ich denke, auch dass das Tragen eines Kopftuches in Mode gekommen ist, und die Linie zwischen religiöser Vorschrift und Trend  verwischt. Aber vielleicht wird es so für junge Mädchen leichter, mit dem Kopftuchtragen zu beginnen. Ich finde, dass die Auffassung von „Modesty“ sich ändert, und das kann schwierig sein.

Basma: Du hast ganz klar den Fokus auf  sozialverträglich hergestellte Mode gesetzt. Denkst Du, dass die Modest Fashion Verbraucherinnen für diese Idee bereit sind, wenn man meistens eher noch billig bei Resellern einkauft. 

Eman Idil: Um ehrlich zu sein, sind traurigerweise nicht-muslimische Frauen mein größter Kundenstamm, weil die meisten Muslime nicht bereit sind, Geld für sozialverträglich hergestellte Kleidung auszugeben. Meiner Meinung nach müssen Muslime verstehen, dass es haram ist Klamotten von ausbeuterischen Betrieben zu kaufen und dass kein Unternehmen jemals halal sein wird, wenn es auf unethischen Produktionsbedingungen aufbaut! Sie sind noch nicht bereit, aber ich hoffe, dass wir eine Änderung sehen werden in sha Allah!

 

© Antar Hanif

Basma: Was fehlt Dir in der Modest Fashion?

Eman Idil: Es fehlt uns an der Handwerkskunst der Mode. Modest Fashion bedeutet nicht automatisch Abayas.  Wir brauchen mehr tatsächliche Designer in der Modest Fashion, denn es lässt sich eine Zustrom von Bloggerinnen und Modeliebhaberinnen beobachten, die identisch aussehende Kleidungslinien entwerfen.

 


„Muslim sein ist zu einem Politikum geworden. „


 

Basma: Was denkst Du darüber, dass Modest Fashion Mainstream wird? Ist es nur ein Hype und befürchtest Du, das die eigentliche DNA und die Werte von anderen eingenommen werden und wegen kommerzieller Interessen in diesen Markt verloren gehen? 

Eman Idil: Muslime sollten vorsichtig sein, wo sie ihr Geld ausgeben. Modest Fashion wird Mainstream werden, da es finanziell lukrativ ist. Es ist schade, es feststellen zu müssen, aber viele Käufer unterstützen größere Unternehmen eher statt junge muslimische, die bereits Modest Fashion Kleidung entworfen haben, als es noch ein Nischenmarkt war. Es ist wichtig festzuhalten, dass größere Marken vielleicht Modest Fashion Bekleidung ins Sortiment aufnehmen, aber diese gleichen Unternehmen sich nicht für Deine Rechte als Muslima interessieren, sondern nur um ihren Profit! Muslim sein ist zum Politikum geworden, deswegen ist es wichtig, dass wir unser Geld bei denen ausgeben, die sich um mehr als nur den Profit kümmern.

© Antar Hanif

Basma: Du sprichst auch über Anti-Blackness und Rassismus innerhalb der muslimischen Community. Kannst Du bitte unseren deutschen Leserinnen von deiner Ansicht über die diesbezügliche Lage in Nord Amerika berichten?

Eman Idil: Wenn Du schwarz und ein Muslim in Nordamerika bist, dann spürt man die Diskriminierung der Mehrheitsgesellschaft, weil man Muslim ist, und die Diskriminierung in der Moschee, weil man schwarz ist. Diese Probleme betreffen vor allem schwarze muslimische Jugendliche und die Moscheen schweigen genauso wie muslimische Interessenvertretungen. Das Problem besteht hier in Nord Amerika darin, dass Muslime aus dem arabischen und südasiatischen Raum ein Narrativ erfunden haben, das Islam und schwarz sein als Identität von einander trennt, wobei die ersten Muslime in Nordamerika Schwarze waren. Dies ist auch problematisch, weil es viel schwieriger hier ist, schwarz und muslimisch zu sein, also ein Araber oder jemand mit südasiatischen Wurzeln und muslimisch. Anstatt sich zu sehr auf Islamophobie zu fokussieren, sollten die Sheikhs den Hass, der in vielen Moscheen und Islamschulen gezüchtet wird, behandeln.

Basma: Einerseits werden schwarze Muslime häufig übersehen bei muslimischen Kongressen etc. und auf der anderen gibt es nicht-schwarze Muslime, die sich in diesem Zusammenhang häufig als POCs definieren, die das Narrativ übernehmen. Denkst du es ist hilfreich oder eher bevormundend?

Eman Idil:  In meinen Augen ist es eine Beleidigung, wenn ein nicht-schwarzer Muslim auf die Bühne tritt, um über Rassismus Schwarzen gegenüber in der muslimischen Community zu reden. Bestenfalls kann man es eine Bevormundung nennen, weil es ihnen wichtiger ist, ihre eigene Stimme zu erheben, wenn es darum geht, unsere eigenen Geschichten zu teilen. Und viele von diesen Rednern werden dafür bezahlt, was unverständlich ist, weil sie nicht schwarz sind und nicht verstehen können, was es bedeutet. Ich besuche solche Veranstaltungen, auf denen arabische oder südasiatische Redner diesbezügliche Vorträge halten, seit längerem nicht mehr , da es meistens genau diese Gruppen sind, die am stärksten Rassismus gegen Schwarze hegen. Bevor sie vor einem größerem Publikum sprechen, sollten sie mit ihrer eigenen Familie anfangen.

Basma: Was kannst Du uns über künftige Projekte von Dir erzählen?

Eman Idil: Ich werde mit einem Masterprogramm nächsten Jahr anfangen in sha Allah und mich darauf konzentrieren, eine Produktionsstätte aufzuziehen. Ich hoffe, dass ich innerhalb der nächsten 7 Jahre ein Produktionsunternehmen und eine Schule in Somalia bauen kann, in sha Allah.

Basma: Wo siehst Du dich in den nächsten 5 Jahren?

Eman Idil: Ich werde eine Talkshow moderieren und in New York leben. Hoffentlich bin ich eine Professorin, die der künftigen Generation die Auswirkungen der Konsumgesellschaft vermittelt, und wie unser alltägliches Verhalten unseren Planeten zerstört.

Basma: Was war bisher dein größter Erfolg als Unternehmerin und was bereust Du am meisten?

Eman Idil: Am meiten bereue ich, dass ich nicht genug an mich geglaubt habe. Ich gehe oft harsch mit mir in die Kritik im Nachhinein und denke immer darüber nach, was falsch laufen könnte. Mein größter Erfolg war, dass ich erstmals meine Kollektion an eine Boutique verkauft habe. Das war die richtige Motivation, die ich zu diesem Zeitpunkt als Bestätigung benötigt habe, dass ich in die Modewelt gehöre.

Basma: Welchen Rat würdest Du jungen Designern geben?

Eman Idil: Bleib Dir treu! Es gibt so viele Marken, die von anderen kopieren, und das ist nicht lustig! Man hat immer etwas Einzigartiges anzubieten, selbst wenn man denkt, dass es nicht so sei!

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