Wieso eigentlich Modesty als Kleidungsstil?
„Wieso trägst du eigentlich ein Kopftuch?“ Diese Frage, sie lauert überall. Beim Mittagessen mit Kommilitonen, im Zug vom wildfremden Sitznachbarn, im Café, in der Bibliothek, bei der Arbeit. Einfach überall! Eine Zeit lang war das doch tierisch nervig, bis ich mir dachte: „Halt, eigentlich ist die Frage doch gut, schließlich brauche ich dafür eine geeignete Antwort!“.
Bei der Suche nach einer Begründung fallen mir hunderte Schlagwörter ein: „Glaube“, „Schutz“,„Emanzipation“, „Autonomie“ und und und. Aber das alles reicht nicht, um meine Beweggründe erklären zu können. Bei der Frage „Wieso trägst du eigentlich ein Kopftuch“ schwingt doch vielmehr die Frage „Wieso tust du etwas, das in der Gesellschaft gar nicht so üblich ist“ mit. Und da will ich mit meiner Antwort ansetzen: Wieso tue ich etwas, das viele andere nicht tun?
Dass der Islam – zu dem man wohl die Kopftuchträgerinnen im gesellschaftlichen Kontext zählt – eine normative Religion ist, dürfte gemeinhin bekannt sein. Dass es demnach bestimmte Aufforderungen gibt ist also einleuchtend – eben auch für die Bekleidung. Als Muslim geht man davon aus, dass von Allah nur Wahres und Gutes kommt, man versucht also sich um seiner selbst Willen an Gottes Gebote zu halten.
Die nächste Frage, die man sich dann stellt ist: „Fühle ich mich damit auch wohl?“ Die Antwort auf diese Frage beinhaltet alle Kausalitäten, die mir im ersten Moment, wenn ich mir die Frage „Wieso Kopftuch?“ stelle, in den Sinn kommen. Dinge wie der emanzipatorische Charakter meiner Bekleidung, dass ich mich vor intoleranten und oberflächlichen Menschen beschützt fühle, etc.
Ist es eine Aufforderung von Allah? – Ja.
Fühlst du dich damit wohl? – Absolut.
Mein persönliches Wohlbefinden in meiner Kleidung, die mir von meinem Gott empfohlen wurde, das ist der Grund weshalb ich ein Kopftuch trage und weshalb ich Dinge tue, die in der Gesellschaft nicht ganz so üblich sind. Das reicht als Begründung! Ich muss nicht beteuern, dass ich es absolut freiwillig trage, mir kein Mitleid wegen der Hitze anhören oder doofe Fragen wie „Trägst du das Kopftuch auch unter der Dusche?“ beantworten.
Mein Körper. Meine Kleidung. Meine Regeln.
Natürlich ist das nicht für jeden so leicht nachvollziehbar. Modesty ist so viel mehr als „nur ein Kopftuch“, es ist eine Art sich in der Öffentlichkeit zu bewegen.
Kein Mensch geht hier in Deutschland einfach nackt aus dem Haus (gut in anderen Kulturkreisen ist das vielleicht nicht so ganz verpönt). Das hat einen Grund: Jeder möchte seine persönliche Intimität wahren. Für den einen schließt das mehr, für den anderen weniger vom Körper ein. Manche fühlen sich in einem Minirock furchtbar unwohl, sie tragen lieber einen Rock, der bis zu den Knien geht. Und ich fühle mich eben nicht damit wohl meine Beine überhaupt zu zeigen. Und auch nicht meine Haare, oder andere Körperteile. Jedem sollte der Raum für seine Intimsphäre gegeben werden. Man zwingt ja schließlich seine Arbeitnehmer nicht dazu, in Unterwäsche zu arbeiten, wieso zwingt man also eine Frau, die sich auf eine bestimmte Art und Weise bedeckt, sich zu entblößen? Das käme auf dasselbe hinaus, denn es ist ein Einschnitt in die Intimsphäre des Menschen und somit in seine Würde.
Frauen mit Kopftuch sind selbstbewusste, unabhängige, freie und autonome Menschen, keine Opfer. Und keine will wie ein solches behandelt werden. Statt uns in Schubladen zu stecken, lieber einfach mal nachfragen, auch wenn es die Frage „Wieso trägst du eigentlich ein Kopftuch?“ ist. Nur, dass du dann, liebe Gesellschaft, nicht entscheiden kannst, ob es „in Ordnung ist“ sich modest zu kleiden und nach dieser Devise zu leben. Das liegt nicht in deiner Macht liebe Gesellschaft. Sondern in der Individualität und in der Entfaltung des Menschen. Und das ist doch eigentlich gar nicht so verwerflich oder liebe Gesellschaft?
Übrigens: Wir duschen mit Kopftuch und waschen es mit „Hijab and Shoulders“, deshalb ist es auch immer so wunderbar voluminös und glänzend!
Foto © Selma Lebdiri