Ihr wollt nicht wissen, wie die letzten Wochen meines Lebens waren! Bitte fragt nicht! Ich packe gerade die Koffer für eine Woche London. Eine Woche voller Termine, Anspannung, neuen Herausforderungen, hohen Erwartungen und einem hoffentlich guten Hotel mit gemütlichem Bett, denn ich würde gerne zumindest eine Nacht vor der Modenschau wie ein Normalo schlafen. Aber das wird nix. Das weiß ich jetzt schon.
Innerhalb von nur vier Wochen hab‘ ich mit Hilfe zweier Freundinnen eine komplette Kollektion auf die Beine gestellt. (Ein Hoch auf ehrliche und treue Freundschaften an dieser Stelle! Ich liebe euch Anna und Seda! Ihr seid meine Heldinnen! Fühlt euch gedrückt… ok, den Rest schreib‘ ich euch auf WhatsApp!)
Zehn Teile hat die Kollektion, inklusive einem Brautkleid. Wer sich jetzt nicht so sehr mit der Materie auskennt, wird sich fragen: Was will die jetzt? Alle, die wissen, worum es hier geht, würden mich hingegen in die nächste Klapse einweisen lassen, weil niemand auf Gottes Erden so viel arbeiten kann, oder soll, oder darf. Wie auch immer!
Ein Blick auf mein Handy: 2:40 Uhr nachts, morgens… ach keine Ahnung. Um 6:00 kommt mein Bruder uns abholen. Und es ist immer noch nicht alles gepackt. Ich darf nichts vergessen! Oh, Gott, ich will gar nicht daran denken, wie es wäre, wenn mir kurz vor der Show erst auffallen würde, dass hier ein Bändchen, da ein Gürtel, dort ein Knopf usw. fehlt. Ich will nicht dran denken. Weiter geht’s mit Kofferpacken. Ein Koffer für mich, einer für die Kinder und der größte Koffer ist für die Kollektion. Ich hoffe der wird reichen.
Ich bin übrigens nicht alleine wach. Die Kaninchen, deren aktuelle Namen ich nicht genau weiß (da sie schon gefühlte 100 Mal umgetauft wurden), starren mich aus ihrem Käfig heraus an und denken sich bestimmt: „Sie ist auch nachtaktiv wie wir. Ist sie ein Hase?“ – Fast! Ein Panda würde es eher treffen, bei den ausgeprägten Augenringen, die in den letzten Wochen und Tagen immer dunkler wurden. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob sie wirklich nachtaktiv sind oder ob sie sich einfach nur an meinen Workaholic-Rhythmus gewöhnt haben… Ist mir egal. Es war nicht meine Idee, dass sie in meinem Atelier wohnen dürfen. Und da sie nun zur Familie gehören, müssen wir da gemeinsam durch. Ich bin übrigens netter zu ihnen geworden. Ich versuche es zumindest. Nora zuliebe. „Ihr dürft die Woche bei Oma und Opa verbringen.“, lasse ich sie wissen. Gemeint sind natürlich meine Eltern.
Wenn es nach Nora und Linda ginge, dürften die Häschen natürlich mit uns mit. Wie genau? Keine Ahnung. Einfallsreiche Ideen, wie „im Koffer verstecken“ über „im Hotel die Badewanne als Stall nutzen“ bis hin zum mit der Hundeleine geplanten Spaziergang durch die Londoner Innenstadt sind mir zu Ohren gekommen. Aber ich habe natürlich alles ignoriert und nicht zugegeben, dass ich die Ideen zuckersüß finde, sonst würde es ja heißen: „Bitte, Mamaaaaaaa! Biiitteeee!“ Kommt euch das bekannt vor? Mir erst! Vier Uhr morgens und die Koffer sind endlich alle gepackt. Natürlich jeweils fünf Mal aufgemacht, um zu schauen, ob auch wirklich nichts fehlt.
Mir tun die Kinder etwas Leid. So früh mussten sie noch nie aus dem Bett, geschweige denn aus dem Haus. Aber vor allem Nora freut sich auf die kommenden Tage. Sie wurde vom Unterricht befreit, um Mamas erste Show in London nicht zu verpassen. Ich liebe ihre Begeisterung für meine Arbeit. Manchmal habe ich das Gefühl, ihre Aufregung ist viel größer als die meine. Kein Shooting hat sie bisher verpasst meine beste Mini-Assistentin, die ich mir vorstellen kann. Bei den Modenschauen sitzt die junge Lady in der ersten Reihe. Das erste Mal mit drei Jahren.
Na, toll! Wie konnte ich mich gerade so sehr in meinen Gedanken verlieren? Es lohnt sich jetzt nicht mehr zu schlafen. Mein Wecker klingelt in einer halben Stunde aber ich kann meine Augen nicht mehr offen halten. Ich lege mich bei offenem Licht auf die Couch und mache mein Handy ganz laut, nicht dass ich verschlafe. Wie soll ich den heutigen Tag bloß überleben? I don’t know…