Wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen, wird es immer interessant. Wie ist das jemanden mit einem komplett anderen Background zu heiraten? Geschichten von Bereicherung, Vielfalt und Spannungen.
„Ich mach es kurz: ich würde es nicht nochmal tun.“, lacht Emine*. „Nein im Ernst, es war schon ein ganz schöner Kraftakt mit uns.“ Emines Eltern stammen aus der Türkei, sie selbst ist in Deutschland geboren. Ihr Mann, von dem sie sich vor mehr als einem Jahr getrennt hat, stammt aus der Nähe von Istanbul und ist dort aufgewachsen. „Man sollte meinen, dass wir den gleichen Background haben. Aber heute weiß ich: Ich bin zu deutsch für einen Türken. Und wahrscheinlich zu türkisch für einen Deutschen.“ Sie und ihr Mann lernen sich in der Türkei kennen, als Emine gerade ihre Tante in Istanbul besucht, es ist Liebe auf den ersten Blick. „Ich war jung und über beide Ohren in ihn verliebt. Er wollte gerne, dass ich bei ihm bleibe. Aber so gerne ich die Türkei mag, mein zu Hause ist hier in Deutschland.“ Sie heiraten, da ist Emine gerade 20 Jahre alt. „Eigentlich war mir schon nach einem halben Jahr klar, dass das mit uns ein Fehler war. Ich wollte studieren, die Welt sehen. Aber mein Mann wollte Kinder und ein gemütliches Zuhause. Irgendwie hatten wir da komplett andere Vorstellungen, was unsere Ehe betrifft.“ Ihr Mann findet in Deutschland nie wirklich Anschluss, sehnt sich nach seiner Familie in der Türkei. Immer öfter fliegt er in die Heimat, die Besuche werden jedes Mal länger. „Wir haben uns mit jeder Reise mehr auseinander gelebt. Er wurde mir fremd. Wenn er in Deutschland war, sollte ich bei ihm bleiben, meine Freunde nicht sehen, ihn bekochen und für ihn da sein. Ich war alles was er hatte. Aber für mich war es eine große Belastung. Dieses Häusliche ist nichts für mich. Das fanden seine Eltern auch nicht gerade prickelnd. Für sie muss die perfekte Schwiegertochter Tee kochen und zu allem ja und amen sagen. So wie meine Schwägerinnen. Aber so haben mich meine Eltern nicht erzogen. Selbst mein Vater findet, dass Männer genauso Aufgaben im Haushalt übernehmen können, wie Frauen es tun. Und er setzt sich dafür ein, dass ich und meine Schwestern die beste Ausbildung erhalten. Wir sind sein ganzer Stolz.“ Ihre Familien warten sehnlichst auf ein Enkelchen, für Emine kommt das noch nicht in Frage. Der Druck seitens der Familien belastet die Beziehung zusätzlich. „Ja uns eint die Religion. Sie hat uns sogar einige Zeit geholfen, wir haben versucht an unserer Kommunikation zu arbeiten, viel gebetet und Allah um Hilfe gebeten. Aber mit der Zeit wurde klar, dass wir aus zwei Welten stammen. Unsere Vorstellungen davon wie Frauen sein sollen, wie sie sich kleiden oder verhalten sollen – das waren schon krasse Streitpunkte. Und keiner wollte nachgeben.“ Heute geht es ihr besser, sagt sie. Ob sie in nächster Zeit noch einmal heiraten möchte, weiß sie noch nicht. Wenn, dann soll es jemand sein, der auch in Deutschland aufgewachsen ist. „Als Deutsch-Türkin sitze ich irgendwie immer zwischen den Stühlen. Ich gehöre nirgendwo „so richtig“ hin. Jemand dem es genauso geht, kann mich vielleicht besser verstehen. Im Moment möchte ich aber erst einmal mein Studium beenden und in der freien Wirtschaft arbeiten. Klar habe ich mir niemals vorstellen können bereits mit 25 wieder geschieden zu sein. Aber ich bin noch jung. Allah hat meinen Weg schon geschrieben. Ich warte ab, was Er mir noch vorherbestimmt hat.“
Anders läuft es bei Martha und Arif. Eine Polin und ein Palästinenser. Drei Sprachen, zwei Kulturen, eine Ehe. Vor 5 Jahren lernten sie sich kennen und lieben, heirateten, bekamen einen Sohn. Rayhan ist nun 3 Jahre alt und spricht Polnisch und Arabisch, im Kindergarten lernt er nun deutsch. „Wir sind schon eine interessante Kombination“, erzählt Martha. „Ich stamme aus einem erzkatholischen Haushalt und bin vor 8 Jahren zum Islam konvertiert. Meinen Mann habe ich an der Uni kennen gelernt. Wir studierten damals dort Chemie. Uns war beiden bald klar, dass wir zusammen gehören. Auch wenn das von Anfang an nicht einfach war.“ Marthas Eltern hatten so ihre Probleme mit dem jungen arabischen Muslim, der ihre Tochter zur Frau nehmen wollte. So hatten sie sich die Heirat ihrer einzigen Tochter nicht vorgestellt. Doch Martha setzte sich durch. „Mit den neuen Schwiegereltern fängt es also schon an.“, erklärt sie nachdenklich. „Und wenn man dann erst mal gemeinsam unter einem Dach wohnt, spürt man, dass der andere einfach eine andere Art zu denken hat. Kein Wunder, wenn man in komplett unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen ist.“ Doch über all die kleinen Streitigkeiten in der Anfangszeit hinweg fanden sie immer mehr Gemeinsamkeiten. „Natürlich kommen wir aus verschiedenen Welten. Meine Familie ist sehr christlich. Zu Weihnachten, Ostern und Namenstagen will ich immer bei ihnen sein. Ich bin damit einfach groß geworden. Wir haben auch verschiedene Bräuche, die meinem Mann erst einmal fremd waren. Aber auch ich musste mich daran gewöhnen nicht alles zu verstehen, wenn wir bei seiner Familie sind. Das fängt bei der Sprache an und geht mit Sichtweisen weiter, die ich so nicht kenne. Doch was uns eint ist zum einen unsere Religion, zum anderen, dass wir beide Familienmenschen sind. Mein Mann versteht, dass ich an Feiertagen bei meinen Eltern sein möchte und ich lasse ihn die Sonntage mit seinen Brüdern auf dem Fußballplatz verbringen.“ Ihr gemeinsamer Sohn profitiere von den zwei völlig verschiedenen Familienteilen. Im Januar wird Rayhan vier Jahre alt. Dann spricht er bereits drei Sprachen. „Er weiß was Weihnachten ist und liebt es die islamischen Feste zu feiern. Er kommt in zwei liebende Großfamilien und ist schon viel mit uns gereist. Wir lieben es mit ihm die Welt zu entdecken. Gerade erst haben wir meine Großmutter in Polen besucht. Ich finde es schön, dass er von Anfang an lernt, dass es so viele unterschiedliche Menschen auf der Welt gibt.“
In Deutschland gibt es fast 1,5 Millionen binationale Ehen, Deutsche heiraten dabei besonders gerne Partner aus der Türkei, Italien, Polen, Russland und Österreich. Doch egal in welcher Kombination Menschen entschließen den weiteren Lebensweg gemeinsam zu beschreiten: Schwierigkeiten und anfängliche Hürden sind keine Seltenheit, auch nicht in deutsch-deutschen Ehen. Doch es gibt ein vielzitiertes Sprichwort, das besonders gerne auf Hochzeitseinladungen verwendet wird: „Liebe besteht nicht darin, dass man einander anschaut, sondern dass man gemeinsam in die selbe Richtung blickt.“ (-Antoine de Saint-Exupery). Und genau darum geht es in der Ehe: gemeinsame Ziele an denen man als Paar arbeiten kann, Verständnis, Toleranz und Akzeptanz füreinander und eine gesunde Portion Neugier auf das, was der Partner an kulturellem Einfluss mit in die Ehe bringt. Wer es schafft diese bunte Mischung mit all ihren Chancen zu begreifen erhält nicht nur einen Partner fürs Leben, sondern auch neue Horizonte und eine Ahnung von der Vielfalt die Allah unter den Menschen geschaffen hat.
Welche Erfahrungen habt ihr mit interkulturellen Ehen gemacht? Teilt eure Erfahrungen in den Kommentaren!
*Name von der Redaktion geändert.