Dumm gelaufen…

Nie wieder Billigflug! Oder vielleicht doch. Aber nur wenn es nicht anders geht. Ach ich weiß nicht. Mir war schon die ganze Zeit klar, dass im günstigsten Flugpreis der Welt kein Luxus stecken wird.

Ich wollte auch gar keinen Luxus. Die Kinder sollen lernen mit wenig auszukommen und bodenständig bleiben und… Na gut, ich gebe es zu: das Budget hat nicht mehr hergegeben. Ich habe ein gefühltes Vermögen für die Kollektion ausgegeben. Also haben wir vier Billigtickets gebucht. Baby Linda braucht zum Glück keinen eigenen Sitzplatz, hat dafür aber auch keinen Anspruch auf eigenes Gepäck. Der große Koffer, in dem die Kollektion ist, geht natürlich nicht als Handgepäck durch. Ist ja ganz logisch. Deshalb hab ich beim Buchen schon angegeben, dass wir einen zusätzlichen Koffer dabei haben werden. Maximal 20 kg darf er wiegen.
Und da ging’s schon los!

Ganze siebeneinhalb Kilogramm zu viel Gewicht! Wie ist das möglich?! Mein Budget ist ohnehin schon gesprengt. Soll ich einfach diskutieren, so wie immer? Das kann ich gut. Und manchmal komme ich damit auch super durch. Vorausgesetzt es sind gutgelaunte Südländer am Schalter, alternativ  auch freundliche Fast-Rentner, die sich so sehr auf ihre Rente freuen, dass sie nicht mehr richtig hören und sehen können oder ahnungslose Azubis, die man mit einer frei erfundenen Klausel schnell verunsichern und überzeugen kann.
Toll ey! Weit und breit niemand desgleichen zu sehen. Wie denn auch? Wir sind hier an einem der kleinsten Flughäfen Deutschlands. Da gibt es null Auswahl. Die sehen hier alle gleich aus. Wie Geschwister. Schlecht gelaunte Geschwister auch noch. Ich war noch nie hier. Ist eh voll unnötig. Die machen einem doch nur Probleme. Bestimmt war ihnen ihr Leben lang langweilig und sie haben auf so jemanden wie mich gewartet, um mal was zu lachen zu haben!
Okay… siebeneinhalb Kilogramm sind schon etwas krass. Damit würde ich an keinem Flughafen der Welt durchkommen. Auch wenn da nur gutgelaunte Südländer und Azubis arbeiten würden. Die würden mir alle den Vogel zeigen. Trotzdem! Ich bin Kunde. Und der Kunde ist König! Wo bleibt die Menschlichkeit? Warum zeigt hier keiner Mitgefühl? Es ist doch nuuuur eine harmlose Kollektion im Koffer! Soll ich die etwa da lassen? Häää?! Wärt ihr dann vielleicht alle glücklich?
„Beruhigen Sie sich, bitte! Es sind nur zehn Euro pro Kilogramm fällig.“, höre ich jemanden hinter der Theke sagen. Oh nein! Habe ich gerade wirklich zu laut gedacht? Und wieviel davon war laut? Den Blicken meines Bruders nach zu urteilen müsste es viel gewesen sein. Passiert mir das oft? Ich bin verwirrt. Und müde. Ach, nur zehn Euro? Hat er gerade ’nur zehn Euro‘ gesagt? Spottbillig ist das hier! Das sind ja nur 75€! Oder besser gesagt: Ungefähr zwei ganze Flugtickets. Danke fürs Angebot, darf ich trotzdem ablehnen?

Das merk‘ ich mir fürs nächste Mal. Nie wieder fliege ich mit so einem Mist. Ich weiß nicht mal, wie die Fluggesellschaft heißt. Interessiert mich auch gar nicht!
„Was? Ist das jetzt wirklich Ihr Ernst?  Nur Barzahlung möglich? Wieso kann man bei Ihnen nicht mit Karte zahlen? Das kann man mittlerweile bei fast jedem Bäcker! Was ne Unverschämtheit hier! Ich will nicht mehr fliegen. Ich fahr jetzt wieder nach Hause! Das muss ich mir nicht geben. Ist voll nicht mein Niveau hier!“
Das waren natürlich  nur meine Gedanken. Und dieses Mal habe ich darauf geachtet nicht laut zu denken. Ich bin eh viel zu müde, um eine Szene zu schieben, was übrigens zu meinen Hobbies gehört. Aber nur wenn ich mir sicher bin, dass ich zu 500% im Recht bin… das ist hier natürlich nicht der Fall… Und nein, ich kenne keinen Bäcker, bei dem man mit EC-Karte zahlen kann… Egal jetzt.
Ich gebe mein letztes Euro-Bargeld, das eigentlich für was zu essen geplant war, für diesen unnötigen Blödsinn hier aus. Nein, eigentlich kein Blödsinn, denn schließlich befindet sich meine Kollektion in diesem schweren Koffer. Und die ist weitaus mehr wert. Also bezahle ich wie ein friedlicher, ausgeschlafener, gechillter und umgänglicher Kunde. Trotzdem ärgerlich! Das hätte ich früher berücksichtigen sollen. Wäre bestimmt billiger gewesen.
Es ist übrigens schon Mittag. Wir haben erst die Hasen zu meinen Eltern gebracht, ihren Käfig im Hof komplett aufgebaut, damit sie sich wohlfühlen (ihr wisst, Nora würde mich umbringen, wenn es anders wäre…), eine Kleinigkeit gefrühstückt, solange man das als Frühstück betrachten kann, sind danach mehrere Stunden zum tollen Flughafen gefahren… Tja, so schnell vergeht die Zeit.
Zum Glück konnte ich auf der Autobahn etwas schlafen. Aber nicht wirklich viel. Ständig war was mit Baby Linda. Hoffentlich wird sie in London nicht so anstrengend sein.  Wobei wir ja den besten Babysitter der Welt dabei  haben: meinen Bruder! Ich danke dem lieben Gott, dass ich Dich habe! Aber viel Spaß und gute Nerven wünsch‘ ich! Die nächsten Tage werden dich prägen, dein Leben verändern und womöglich dein friedliches Weltbild von Kindern komplett auf den Kopf stellen. Denn Baby Linda ist kein normales Baby… Ich warne Dich… in meinen Gedanken natürlich! Und ich weiß genau, dass ich gerade sehr leise gedacht habe!
Waaaaaas???? Aufgrund technischer Störungen fällt unser Flug aus? Ist das euer Ernst? Oder soll ich sagen: ARE YOU KIDDING ME? Soll ich ausrasten? SHOULD I?! Das hat mir gerade noch gefehlt! Leute, ich hab‘ nicht geschlafen, habe gerade mein letztes Bargeld umsonst  ausgegeben. Bargeld, das mir jetzt für den Kaffee fehlt, da man den komischerweise auch nicht mit Karte zahlen kann… Hört bitte auf, mich ständig zu provozieren! Toll, der nächste Flieger geht erst gegen Abend. Ich habe jetzt schon keine Lust mehr! Ich will wirklich nach Hause…

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