#Ask Iman: Wettlauf mit der Zeit. „Noch nichts (nicht genug) erreicht im Leben.“

In letzten Jahren scheint es einen neuen Negativtrend zu geben, der sich vor allem bei jungen Erwachsenen ausbreitet. Die „Angst zu versagen oder versagt zu haben“. Unsere Generation hat viele Herausforderungen. Wie z. B. die schnelllebige Digitalisierung, die starke – inzwischen sehr starke, internationale – Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und der Druck auf privater und sozialer Ebene mithalten zu können. In machen kulturellen Kreisen ist es sogar so, dass die Ehe und die Familiengründung das absolute Maß der Dinge ist und vor allem junge Frauen bekommen diesen Druck zu spüren.

30 Jahre!

Die Zahl 30 ist mit so viel Angst behaftet, dass viele junge Menschen mit Ende 20 zusammenbrechen und ihren Weg zu mir finden. Das Traurige ist, dass viele gar nicht wissen, dass sie nicht allein mit diesem Problem sind. Tatsächlich ist es jedoch so, dass nur sehr wenige Menschen mit Ende 20 ihr Leben total im Griff haben. Und selbst, wenn es den Anschein hat, als sei es so, kann ich fast versprechen, dass der Schein trügt. Jeder Mensch schleppt sein Paket vor sich sehr und bei einigen ist es sichtbarer als bei anderen. Wir Menschen haben den Vergleich mit anderen nicht nur verinnerlicht, sondern auch kultiviert. Ich kann gar nicht mehr zählen wie oft ich den Satz: „Person XY ist im selben Alter wie ich und hat inzwischen 2 Kinder und einen unbefristeten Vertrag bei der Firma so und so.“ Und so sehr ich diesen Satz in verschiedenen Formulierungen in fast jeder Einführungssitzung erwarte, schmerzt es mich doch sehr zu sehen, wie fast eine ganze Generation dadurch nicht nur geleitet, sondern auch gelähmt wird.

Facebook, Instagram, etc.

Ja, die Social Media Profile. Ich weiß gar nicht, wo ich genau ansetzen soll. Social Media hat unsere Welt verändert und die Marketingwelt revolutioniert. Und keine Frage, nicht alles was im Internet passiert ist zwangsläufig schlecht. Auffällig ist aber trotzdem, dass wir vor ungefähr 10 Jahren noch unser Leben außerhalb des Internets geführt haben. Dies hat sich inzwischen verändert. Das Internet hat die Arbeitswelt sehr geprägt, zusammen rücken lassen und in vielen Bereichen vereinfacht und beschleunigt. Was früher mehrere Tage brauchte, ist inzwischen Dank Email und Co in wenigen Stunden erledigt. Auf privater Ebene wird aber immer klarer, wie sehr Bilder und Statusmeldungen anderer auf uns einwirken. Freundschaften werden oft nur noch digital geführt und nur die positivsten und schönsten Lebensereignisse werden geteilt. Natürlich entsteht so der Eindruck, dass andere es besser machen als man selbst.

Wie man den Teufelskreis beenden kann.

Es gibt aber gute Nachrichten. Das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen, um eine klare Zielsetzung zu verfolgen, erfordert nicht allzu viele Schritte. Aber leider muss man diese Gewohnten ins tägliche Leben einbauen, sodass es funktioniert und das erfordert ein wenig Disziplin. (Oh ja, das ewige Gesülze über Disziplin, aber leider, gehört es sie jedem Grundrezept der Lebensveränderung.)

Schritt 1: Umwege schätzen und lieben lernen.

Natürlich ist es sehr schön, wenn man schon mit 7 Jahren weiß, dass man Tierarzt/Tierärztin werden will und diesen Weg konsequent geht, ohne Wenn und Aber. Aber seien wir doch mal ehrlich, wie viele Menschen in unserem Umfeld haben genau das geschafft? Richtig. Kaum jemand.
Jeder, der schon mal eine Reise mit dem Auto geplant hat, weiß, dass man nicht allzu selten im Stau stecken bleiben kann. Manchmal ist der Stau so schlimm, dass man den Motor abschalten muss und aussteigt, und so andere Stau-Opfer kennenlernt und man plötzlich die besten Gespräche führt (Ich kann gar nicht zählen, wie oft mir das passiert ist.)
Oder man verfährt sich und landet in einer Kleinstadt mitten in der Pampa und landet in einem Gasthaus mit den besten Waffeln der Welt. Waffeln, mit Vanilleeis und warmen Kirschen (OMG!). Der Punkt ist: Umwege sind nicht immer was Schlimmes, und früher ankommen nicht unbedingt besser. Vertraue dem Lauf der Zeit!

Schritt 2: Hör auf dich mit anderen zu vergleichen.

Ich weiß, ich weiß … Unglaublich schwierig, wenn vergleichen und imitieren praktisch in unserer DNA verankert sind und uns früher mal das Überleben gesichert haben. Man lernt so viel aus dem Verhalten der anderen. Aber jetzt das große Aber. Der ständige Vergleich mit anderen ist die Quelle aller Angst. Es zerstört das Selbstvertrauen und die Hoffnung, dass es besser werden kann. Wie oft hab ich verdutzte Gesichter gesehen, wenn meine Antwort auf „ … Aber XY hat schon dies und das erreicht und ich …“,
ja Du, Du könntest tatsächlich 99 Jahre alt, während XY vielleicht nur 47 wird. Man muss die Perspektive ändern und eines verstehen. Die Einzige Konstante im Leben ist Veränderung. Wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann darauf. Nichts wird so bleiben, wie es ist. Und nur, weil es XY im Moment scheinbar besser geht, bedeutet es nicht, dass du deswegen dein ganzes Leben versaut hast. Ich leihe euch meine Antwort auch gerne aus, wenn Familienmitglieder auf einem einreden und Person XY als Vergleich anführen. Vor allem, wenn es um Eheschließung geht. Probiert’s mal: Mamas hören ganz schnell auf, wenn sie plötzlich hören, „was wenn XY sich nach 12 Jahren wieder scheiden lässt?“ (Das wünschen wir Person XY natürlich nicht, aber so ist die Diskussion wenigstens schnell beendet.)

Wie kann man denn aufhören sich ständig zu vergleichen?

Wieder eine sehr einfache Lösung, die aber etwas Disziplin verlangt. Augenbinden aufsetzen. Konkret bedeutet das für unsere heutige Zeit: Vermeide soziale Netzwerke, wenn nicht absolut notwendig. Ich verstehe, dass soziale Netzwerke inzwischen zum Alltag dazu gehören. Aber was bringt es einem, wenn man drei Stunden vorm Schlafengehen auf Facebook hängt und sich Profile von anderen Menschen anschaut. Womöglich von Freunden, die man in der Grundschule hatte und seit 14 Jahren nicht mehr gesehen hat. Was man auf sozialen Netzwerken postet, sind nur Momentaufnahmen, die keinen Gesamteindruck über das Leben des anderen ermöglichen. Siehe oben: Jeder schleppt sein Paket vor sich her.

Wenn man diese Gewohnheit in den Griff bekommt, wird man auch plötzlich wieder mehr Zeit haben. Und diese Zeit kann man produktiv nutzen. Und mit produktiv sein meine ich nicht, dass man über Nacht die beste Geschäftsidee der Welt haben muss (sogar Facebook hatte niemals vor das Facebook von heute zu werden).
Es reicht schon, wenn man statt dem Handy ein Buch in die Hand nimmt und vorm Schlafen ein wenig liest. Nach wenigen Tagen schon wird man merken, wie viel Ballast von einem abgefallen ist.

Ich hoffe sehr, dass euch diese Tipps ein wenig weiterhelfen. Und wenn alle Stricke reißen, haltet euch dieses Zitat vor Augen:

                                   Vergleich ist der Dieb der Freude – Theodore Roosevelt

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