Innere Ruhe tanken

Die psychologische Wissenschaft und Psychologen haben es in der islamischen Welt unheimlich schwer. Ein sehr kontroverses Thema ist dabei auch die Meditation. Ist es richtig für Muslime, die doch das Gebet (Salah) haben, auch noch Mediation zu praktizieren?

Die Antwort lautet definitiv ja.

In der Psychologie nennt man eine bestimmte Art der Meditation Achtsamkeit oder wie im Englischen Mindfulness. Dabei handelt es sich um eine Meditationsart, die ihren Ursprung in der der buddhistischen Lehre hat.

Wie kann es also für muslimische Menschen richtig und wichtig sein, Meditation zu praktizieren, ohne dabei in Konflikt mit der Religion zu geraten?

Muslimische Psychologen aus Amerika und Abu Dhabi haben sich in den letzen Jahren zusammen getan, um genau diese Frage zu beantworten. Und obwohl sie zunächst nur vermuteten, dass Achtsamkeit bestimmt auch ihre Wurzeln im Islam hat, waren sie sehr überrascht zu erkennen, wie sehr sich die buddhistischen Lehren mit den islamischen deckten.

Achtsamkeit im Islam

Im islamischen Kontext nennt man Achtsamkeit muraqabah. Die Wurzel des Wortes wird von „beobachten, aufmerksam sein“ abgeleitet. Ein Muslim sollte im Zustand von Muraqabah stets die Erkenntnis haben, dass nichts ohne Gott passiert und dass sowohl die Innen- als auch die Außenwelt des Menschen nur von Gott gelenkt und geführt wird. Dieser Zustand erlaubt es dem Menschen zu reflektieren, um so seine Situation im Leben besser zu verstehen und sein eigenes Handeln besser zu kontrollieren.

Auch Gefühle und Sorgen lassen sich auf diese Weise besser verstehen und akzeptieren. Die Belohnung für die Ausführung von Muraqabah, abgesehen von der im Jenseits, ist die Entlastung der Seele in einer hektischen Welt. Ein Zustand, der, wenn auch zeitlich limitiert, zur inneren Ruhe führt.

Wie praktiziert man Muraqabah also am besten?

Durch Stille. Viele Gelehrte berichten, dass der Prophet (ﷺ) die Stille sehr schätzte. Lange Phasen in seinem Leben verbrachte er allein und im Rückzug. Er ist Vorbild dafür, dass lange Perioden des Schweigens uns nicht aus der Bahn werfen, sondern uns Kraft und Ruhe geben sollten.

In Zeiten des Alleinseins sollte man seine Gedanken von weltlichen Geschehnissen zu Dhikr lenken. Auch reflektieren (tafakkur) ist wichtig. Dabei erinnert (tadhakkur) man sich stets daran, dass Kontrollverlust eine Illusion ist und nichts was passiert, ungeplant geschieht.

Eine Achtsamkeitsübung im Islam

1. Üben

Achtsamkeit muss man auch im Islam üben und mehrfach versuchen, es quasi zu einer Angewohnheit machen. Wählt also eine Zeit, in der ihr allein und ungestört sein könnt. Manche Muslime bevorzugen die Zeit vor dem Morgengebet. Aber jede andere Zeit ist dafür geeignet.

2. Position

Meditation muss nicht wie im Yogastudio erfolgen. Die Haltung ist sehr wichtig, aber man muss sich wohlfühlen. Man kann also sitzen, stehen, liegen. Die Haltung, die am meisten Ruhe bringt, sollte eingenommen werden.

3. Zeit/Dauer

Muraqabah kann 5 Minuten oder auch eine Stunde andauern. Für Anfänger ist es wichtig, sich nicht zu viel zu zumuten. Man kann die Zeitspanne schrittweise erhöhen.

4. Atmung

Man sollte sich auf die Atmung konzentrieren. Sie sollte ruhig und regelmässig erfolgen. So entspannen sich die Muskeln des gesamten Körpers. Man kann dabei die Augen schliessen, falls das Entspannen so einfacher fällt.

5. Dhikr

Fühlt man sich entspannt genug, beginnt man mit Dhikr oder Bittgebeten. Schweifen die Gedanken ab, sollte man Allah mit astaghfurallah um Vergebung bitten und die Gedanken wieder zu Dhikr und den Bittgebeten wenden.

Macht man diese einfache Übung zur Gewohnheit, wird man schnell bemerken, wie sich das eigene Wesen ändert. Das tägliche Gebet wird einfacher und man lässt sich weniger leicht ablenken. Wird man sicherer in der Achtsamkeitsübung, kann man diese auch überall und jederzeit durchführen. Praktisch, wenn immer man glaubt, es zu brauchen. In der Bahn, im Büro oder wenn es einfach mal zu laut wird im Kopf.

Die Wissenschaft hat die Wirksamkeit von Achtsamkeitsübungen mehrfach belegt und aufgezeigt. Innere Ruhe und Zufriedenheit lassen sich so trainieren und wirken sich aufs gesamte Leben aus. Im nicht-religiösen Kontext wird diese Methode in vielen Bereichen genutzt und den Menschen ans Herz gelegt.

Meditation im islamischen Kontext sollte daher aus Unwissenheit nicht abgewiesen werden. Natürlich muss man kritisch bleiben, aber die Konzepte des Islams verhelfen dabei, die moderne Wissenschaft besser zu verstehen.

„Es sind jene, die glauben und deren Herzen Trost finden im Gedenken an Allah. Wahrlich, im Gedenken Allahs werden die Herzen ruhig.“ (Qur’an 13:28)

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