Jungdesignerin Bahar Acahan

Jungdesignerin BAHAR ACAHAN aus Melbourne, Australien, ist die Gewinnerin des Dubai Modest Fashion Week Emerging Designer Award. Sie studierte an einer der besten Fashion Schools der Welt. Mit Ihren 24 Jahren schafft es die türkischstämmige Australierin, die Regeln der australischen Fashion Szene zu brechen. Warum wir uns ihren Namen merken sollten, könnt ihr in unserem Interview mit ihr lesen.

BASMA: Liebe Bahar, erzähl uns doch mal ein wenig über Dich und Deinen Werdegang.

BAHAR: Meine Eltern stammen aus der Türkei, ich selbst bin in Melbourne geboren und aufgewachsen. Mein Vater kommt aus Hatay, meine Mutter aus Adana. Sie sind in ihren jungen Jahren nach Australien ausgewandert, damit ihre zukünftigen Kinder eine bessere Lebensqualität und Schulbildung genießen dürfen. Meine Mutter hatte in der Türkei eine Schneiderausbildung gemacht und konnte somit mit ihrem Schneideratelier meinen Vater finanziell unterstützen, da es mit 4 Kindern auch nicht wirklich einfach war. Ich durfte allerdings ihr Studio nie betreten. Ein Teil von mir war dementsprechend immer neugierig. Diese Neugier brachte mich dazu, dass ich in der High School einen Nähkurs als Wahlfach belegte und mich im Anschluss an der RMIT University bewarb, die weltweit zu den 19 besten Fashion Schools gehört.

BASMA: Was hat Dich motiviert, Designerin zu werden?

BAHAR: Ich habe mich schon immer gern in Schale geworfen und liebe es, hübsche Kleidung zu tragen. Vor allem in Zeiten finanzieller Instabilität, wenn man nicht immer alles kaufen konnte, was man will, war das sehr wertvoll. Ich hatte das Glück, dass meine Mutter ein Kleid aus einem Magazin nach nähen konnte und schon wurde ich mit Komplimenten überschüttet. Wie auch immer, die eigentliche Motivation besteht darin, dass ich sehr gut zeichnen kann. Ich hatte wirklich Spaß daran. Ich habe mich immer selbst herausgefordert und wollte, sobald ich eine Zeichnung in einem Sketch Buch gesehen habe, sie viel besser nachzeichnen können. Ich zeichnete verschiedene Dinge, wie bspw. eine weibliche Figur, Kleidung und verschiedene Designs und brachte mir sogar das Häkeln bei. Ich stellte fest, dass ich sehr viele Komplimente dafür von meinen Gleichaltrigen und Lehrern bekam. Sie gaben mir auch den Rat, mein künstlerisches Talent für meine Karriere zu nutzen. Im letzten Schuljahr belegte ich dann tatsächlich 3 Portfolio-Kurse. Letzenendes hatte ich insgesamt 6 Portfolios, die mir bei meinem Interview für die RMIT halfen, mein Traumstudium anzutreten.

BASMA: Wie war die Reaktion und Unterstützung deiner Familie?

BAHAR: Als ich meinen Eltern davon erzählt hatte, welchen Studiengang ich antreten möchte und wie ich mir meine Zukunft vorstelle, waren sie zunächst dagegen. Wie viele andere türkische Eltern hatten sie die Vorstellung, dass ihre Tochter Akademikerin wird, einen Job mit geregelten Arbeitszeiten ausübt, die dann das Eheleben der Tochter nicht beeinträchtigen würde. Dennoch habe ich mich für eine Karriere entschieden, die Abenteuer und Reiseflexibilität erfordern und mir die Möglichkeit gibt, spannende neue Menschen kennenzulernen. Außerdem hatten sie Bedenken, da die Industrie sehr wettbewerbsorientiert ist und ich eventuell keinen Erfolg haben könnte. Jetzt fördern sie mich allerdings sehr und sind froh, dass ich mein Traumstudiengang angetreten bin. Dass ich meinen Abschluss mit Erfolg geschafft habe und auf der Melbourne Fashion Week 2017 dabei sein durfte und die Dubai Modest Fashion Week Emerging Designer Award gewonnen habe, macht sie sehr stolz.

BASMA: Du hast erzählt, dass Dir viele Steine in den Weg gelegt wurden. Deine Kollektionen, die Du während des Studiums erstellt hast wurden recht negativ aufgenommen. Wie hast Du das empfunden?

BAHAR: Als offene Muslimin in einer westlichen Gesellschaft aufzuwachsen hat definitiv seine Vorteile. Alle Australier sind freundlich, aber es gibt die kleine Minderheit, die der One Nation Partei folgen: Pauline Hanson, die extrem rassistisch und diskriminierend ist. Die Herausforderungen, denen ich während meines ersten Studienjahres begegnet bin waren eine Art von Rassismus. Das führte dazu, dass ich aus dem Studium ausstieg und mir einen neuen Karriereweg suchte. Nach einer kleinen Auszeit entschied ich mich dafür, mich gegen diese Herausforderungen zu stellen und fing wieder mit dem Studium an. Das war mein langfristiges Ziel und mein Ehrgeiz. Ich habe es dann auch nicht mehr zugelassen, dass eine Person mich runterziehen kann. Die Verurteilungen für meine Kollektion Düğüm kamen von Leuten direkt über ihre Smartphones. Sie sahen nur 2 von 10 Designs und waren darauf fixiert, mich zu verurteilen ohne einmal nach mir zu googeln. Und wieder einmal musste ich diese Erfahrung machen. Um ehrlich zu sein, wollte ich sehen, wie die Modest Fashion Industrie auf meine Arbeit reagieren wird und bisher habe ich nur positives Feedback und Support erhalten.

BASMA: Welches Gefühl hat es in Dir erweckt? Wolltest Du aufgeben und dein Studium schmeißen oder hat Dich das noch mehr motiviert in der Modest Fashion Szene Fuß zu fassen?

BAHAR: Ich hatte aufgegeben, weil ich jung und naiv war. Ich habe mich nie selbst verteidigt. Im darauf folgenden Jahr war ich eine veränderte Person, ein Jahr älter und definitiv vernünftiger. Ich wusste, dass egal was es ist, ich würde das Gute und das Schlechte erleben. Meine Erfahrungen haben mich definitiv mehr motiviert, Richtung Modest Fashion zu gehen. Die tatsächliche Herausforderung war, eine Differenzierung der Modest Fashion gegenüber anderen Designs zu erstellen.

BASMA: Wie hast du es geschafft, dass Du in Deinem zweiten Versuch tatsächlich positive Reaktionen erzielt hast und somit erfolgreich warst?

BAHAR: Der Erfolg kam dadurch, dass ich 100 % gegeben habe. Das bedeutet, ich musste auf mein soziales Leben, Freundschaften, Familientreffen und Eid verzichten. Ich wusste, dass dies nur temporär war. Ich sage auch nicht, dass das jeder tun sollte. Mag sein, dass das nicht bei jedem funktioniert, aber bei mir hat genau das geholfen, um den Erfolg zu erzielen. Ich bin morgens zum Morgengebet aufgestanden, bin direkt zur Uni, habe dort von morgens 6 Uhr bis 19 Uhr im Uni-Studio gearbeitet, bin anschließend nach Hause und arbeitete bis Mitternacht. Und am nächsten Tag ging es genau so weiter.

BASMA: Wie reagiert Australien über den immens steigenden Modest Fashion Trend?

BAHAR: Australien hängt definitiv hinten dran mit der Modest Fashion, es gibt noch Raum zum Wachsen und sich zu entwickeln. Wir verfolgen die europäische Mode, somit hängen wir immer eine Saison oder 1 Jahr hinter dem Trend her. Mein Ziel war, uns von diesem System zu entfernen und unsere eigenen Trends zu setzen, die meine mutlikulturelle und religiös angehauchte Mode beeinflussen. Und ich wollte auch den australischen, minimialistischen Stil mit Textilien wie Leinen und Baumwolle verschmelzen. Um ehrlich zu sein hat mich Rassismus, Diskriminierung oder ähnliches nicht mehr interessiert. Ich wusste, ich würde vom Modest Fashion Markt Anerkennung bekommen.

BASMA: Welche Herausforderungen siehst Du in der Modest Fashion Szene?

BAHAR: Ich bin mir nicht sicher, wie es global aussieht, aber in Australien ist die größte Herausforderung, dass sich muslimische Frauen alle gleich und quasi „safe“ anziehen. Wenn sie anspruchsvoll gekleidet sind, bekommen sie Blicke von allen zugeworfen. Es ist wirklich herausfordernd, sich so zu kleiden wie man will. Sogar ein Turban wo auch der Haaransatz zu sehen ist führt dazu, dass Menschen beurteilen, ob dieser Style richtig ist.

BASMA: Deine Graduation-Kollektion heißt „Düğüm“. Das bedeutet auf türkisch „Knoten“. Was heißt das für Deine Kollektion? Wie bist du auf den Namen gekommen?

BAHAR: Der Name Düğüm ist abgeleitet von einem Hadith „Kördüğüm gibi sevmek“, das bedeutet „wie einen unlösbaren Knoten zu lieben“. Die komplette Kollektion besteht aus einer Textiltechnik, dem Makramee, das aus Knoten besteht. Wenn du aus der Ferne schaust ist die Technik visuell unlösbar. Außerdem ist die Kollektion von meiner türkischen Kultur inspiriert. Daher dachte ich an einen Namen, der türkisch ist, aber gleichzeitig mit Makramee und Islam in Verbindung gebracht wird.

BASMA: Welche Message soll deine Kollektion „Düğüm“ vermitteln?

BAHAR: Düğüm ist eine Kollektion, die mit Islam und der türkischen Kultur koexistiert, dabei im Kern minimalistisch ist. Die Kollektion fordert die islamische Bekleidung in Ihrer Form auf, ohne ihre Bescheidenheit zu verlieren. Jedes Element ist handverarbeitet, mit uralten türkischen Textiltechniken und islamischen Textilien wie Leinen, die als eine Art Leinwand dienen.

 

BASMA: Du hast es sogar geschafft, den EMFDA Award zu gewinnen. Somit hattest du auch die Chance auf der DMFW zu sein und dort Deine Kollektion zu zeigen. Wie waren die Reaktionen auf deine Kollektion? Insbesondere auf die Korsagen.

BAHAR: Es war definitiv eine Ehre für mich, an so einem bedeutenden Event teilzunehmen, das von unglaublichen Menschen organisiert wurde. Dank ihnen kam ich nach Dubai, aber da es am ersten Tag regnete, wurde meine Fashion Show abgesagt. Die Leute konnten meine Kollektion auf dem Runway nicht sehen, aber dennoch war es eine Ehre, den Award zu gewinnen. Das erhöht mein Selbstbewusstsein in der Hinsicht, dass ich im Markt angenommen werde und die Leute meine Designs mögen und schätzen.

Es gab einige, die die Korsagen verurteilt haben, womit ich gerechnet habe, da es einige als provokativ aufgefasst haben. Die Korsagen sind nur Accessoires für die Outfits, am Ende des Tages wird es abgenommen. Wieder einmal sehen wir, dass die Leute unvoreingenommen sein und begreifen müssen, dass es noch Raum für Modest Fashion gibt, von der klassischen Abaya und Kimono weg zu kommen und diese weiterzuentwickeln. Und genau hier versuche ich Veränderung anzustoßen und habe viel Support dafür bekommen.

 

BASMA: Du scheinst sehr tapfer und zielstrebig zu sein. Woher nimmst Du diese Energie?

BAHAR: Ich werde von meiner ehemaligen Universität, Familie und Freunden unterstützt. Mein Ziel ist, mir einen Namen zu machen, zu reisen, mit großartigen Menschen zu arbeiten und inspiriert zu werden. Dieser Gedanke bringt mich dazu, dass ich immer 100% gebe.

BASMA: Was inspiert Dich und deine Kollektionen?

BAHAR: Mich inspirieren alle möglichen Dinge, wie meine Volkszugehörigkeit, Glaube, das Land in dem ich lebe, Textilien und Stoffe… die Liste könnte unendlich weiter gehen. Sogar Social Media inspiriert mich. Wenn ich Influencern auf Instagram folge und sehe, wie sie angezogen sind, weiß ich was trendy und machbar ist.

BASMA: Dürfen wir uns auf eine neue Kollektion von Dir freuen? Wie soll diese aussehen?

BAHAR: Ich arbeite momentan daran, meine eigene Webseite aufzubauen. Einige Pieces meiner Kollektion werden dort online erhältlich sein. Außerdem arbeite ich an meiner nächsten Kollektion, wo man mehr Schneidertechniken, Farben und Makramee Techniken sehen kann.

BASMA: Wo siehst Du Dich in 5 Jahren?

BAHAR: Hoffentlich wird mein Business – mit Allah’s Willen – aufgestiegen sein. Ich hoffe, dass ich bis dahin mit türkischenTextilfirmen eins zu eins zusammenarbeite, wo ich meine eigenen Stoffe designe und sie herstelle.

BASMA: Wenn Du Dich in 3 Wörtern beschreiben solltest, welche wären diese?

BAHAR: Kreativ, weise und spirituell.

BASMA: Welchen Rat würdest Du an Jungdesigner/-innen mitgeben?

BAHAR: Wenn du einen Traum hast und die Menschen deine Träume nicht unterstützen ist das ok. Letztendlich werden sie verstehen, dass sie falsch lagen und werden eurer größte Fangemeinde. Vielleicht werden auch Menschen auftauchen, die dir den Weg blockieren werden, aber all das geht vorbei. Sei ehrlich zu Dir in dem was du glaubst, arbeite hart, auch wenn das einige Opfer bedeutet und alles wird seinen Weg finden.

BASMA: Wenn Du die Gelegenheit bekommen würdest, eine Message an die ganze Welt zu senden, welche wäre das?

BAHAR: Seid nett zueinander. Wenn dir das schwer fällt, dann lächele. Es ist eine Wohltätigkeit.

 

Danke für das aufschlussreiche Interview. Wir hoffen, noch mehr von dir zu sehen und wünschen dir ganz viel Erfolg für deine Karriere als Modedesignerin.

 

 

 

 

 

 

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