Oh, mein Gott!

Das hat mir gerade noch gefehlt…

„Ein Kaninchen? Dein Ernst“, frage ich erstaunt. „Nein, Mama. Ich hab‘ gelesen, dass Kaninchen Rudeltiere sind. Das heißt wir brauchen mindestens zwei. Meine Freundin hat viele Kaninchen abzugeben!“

Mindestens zwei… Alles klar. Warum liest dieses Mädchen nur so viel? Und wer zum Geier ist diese doofe Freundin?

Irgendwie muss ich gerade an die Zeiten zurückdenken als ich selbst noch Kind war. Meine Geschwister und ich wollten alle (un)möglichen Haustiere haben. Unter anderem ein Delphin, drei Affen (damit jeder von uns seinen eigenen hatte), einen Gorilla, eine Baby-Giraffe und viele Baby-Löwen – um nur einige Beispiele zu nennen.

Meine Eltern hatten es somit ziemlich leicht uns diese Haustier-Wünsche abzuschlagen, denn diese Tiere waren gar keine Haustiere. Mann, waren wir doof. Richtig doof!

„Bitte, bitte,Mama!“, holt mich Nora aus meinen tiefen Gedanken wieder raus.

„Hör mal Schatz…“,versuche ich mich rauszureden, „Kaninchen brauchen viel Zeit und Pflege und außerdem ist deine kleine Schwester noch eineinhalb und…“ – „Toll danke! Ich darf nie was! Die anderen Mütter erlauben alles! Außerdem bin ich schon groß! Ich kann mich um mich selbst UND um die Kaninchen kümmern! Ich hab schon soooo viel darüber gelesen! Was kann da noch schief gehen? Ich schaffe das Mama, bitteee!“

Diese blöden Bücher! Ohne die würde sie mit ihren süßen neun Jahren bestimmt einen Baby-Dino haben wollen, daraufhin begeben wir uns einige Jahre auf die Suche und die Sache hätte sich von alleine erledigt!

„Mamma bittaaaa!“ Toll sogar Linda ist auf ihrer Seite. Zwei gegen einen…

Es ist einen Moment still im Raum. Fast zu still. So, als würden sie auf eine Antwort von mir warten. Ok. Sie warten wirklich auf eine Antwort. Aber nicht auf irgendeine…

Ein „Nein“ würde diese süßen unschuldigen Kinderaugen im Nu zu Monsteraugen mutieren lassen, die nicht nur mich, sondern alles um mich herum auffressen könnten.

Und was sind eigentlich meine Gründe? Außer dass die Wohnung gerade mal groß genug für uns ist, im Mietvertrag ausdrücklich die Haltung von Tieren verboten wird (warum unterschreibe ich dennn überhaupt so
etwas?), ich meine Kollektion nächsten Monat in London präsentieren muss (daher schon Tag und Nacht am Arbeiten bin), Papierkram auf dem Schreibtisch wartet, ich mich am Ende sowieso selbst um die Tiere kümmern muss…

„Ok, einverstanden. Aber…“ – „Ehrlich? Danke, danke! Du bist die allerbeste Mama der Welt! Ich sag meiner Freundin, dass wir morgen Nachmittag kommen, um uns ein paar Kaninchen auszusuchen…“ – „Zwei“, muss ich ihren euphorischen Moment unterbrechen, „Nur zwei Kaninchen!“

Nora gibt mir einen dicken Kuss auf die Wange und umarmt mich ganz fest.
„Ich liebe Dich, Mama!“ Linda eilt zu uns und macht ihrer großen Schwester alles nach. Wie immer
eigentlich.
Irgendwie kann ich diesen schönen Moment nicht so richtig genießen. Ich bin skeptisch, unentschlossen, habe noch so viel zu erledigen. Ich weiß nicht ob das richtig war, nachzugeben.

Ich bin gespannt auf morgen Nachmittag. Hoffentlich sind bis dahin alle Kaninchen vergeben, verkauft, verschenkt – von mir aus auch von einem Wolf oder Löwen gefressen. Hauptsache nicht mehr da, denn ich kann mir das Leben mit Tieren (und somit noch mehr Verantwortung) im Moment überhaupt nicht vorstellen…

 

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