Heute ist der große Tag. Die Modenschau in London. Vier Wochen harte Arbeit, Tag und Nacht.
Ich liege nervös im Bett. Hellwach. Meine Gedanken geben einfach keine Ruhe. Es ist erst 4 Uhr morgens.
Mein Wecker klingelt in einer Stunde. Aber ich kann einfach nicht schlafen. Pressekonferenz. Interview. Generalprobe. Show. Viele Menschen. Fremde Sprache. Fremdes Land.
Das stand eigentlich auf meinem 5-Jahres Plan: „Fashion Show in London“. Aber jetzt bin ich schon hier. Einfach hier.
Als ich vor einigen Wochen von der Nominierung erfuhr (und innerlich totaaaal am Ausrasten war) hatte ich keine Kollektion parat. Die Winterkollektion war schon veröffentlicht und somit viel zu“alt“ für eine Show und für die geplante Sommerkollektion war es noch etwas zu früh… Also musste eine neue her!
Natürlich habe ich der Teilnahme zugesagt und versichert, dass ich samt Kollektion und Team zu den Awards erscheinen würde. Einfach zugesagt. Einfach so. Wie immer. Typisch, immer dasselbe: Erstmal zusagen und versprechen, dann direkt in Panik verfallen und schnell einen Plan ausdenken! „Was?! Spinnst du? Nur vier Wochen? Eine Kollektion? Brautkleid? Couture-Kleid? Und du hast noch gar nichts! Du brauchst noch nen Plan B für alle Fälle!“, wurde mir mehrmals geraten.
Ok, alles klar. Ich habe versucht einen Plan B zu verfassen, aber aus irgendeinem Grund war er inhaltlich fast identisch mit dem ursprünglichen, denn immer wenn ich etwas weggelassen habe, ergab er keinen – überhaupt keinen – Sinn.
Hmm… Aber wenn Plan A und Plan B fast identisch sind, sind sie dann eigentlich Zwillinge? Und eineiig oder zweieiig? Und wofür soll ein Plan B überhaupt gut sein? Wofür?! Ich glaube nicht an so einen Mist! Ich verstehe den Sinn davon nicht und kann das nicht mal ansatzweise nachvollziehen.
Wie soll er denn aussehen? Soll ich jetzt jeweils nur einen Ärmel in jedes Kleid einnähen? Oder lieber zwei Models in das selbe Kleid stopfen? – Um was genau zu erreichen? Oder gleich das ganze abblasen, weil das der einfachere Weg wäre? Merkt ihr was? Totaaaal bescheuert! Ich habe keinen Plan B. Und ich werde ihn nie brauchen… InshaAllah.
Plan B ist nur was für Feiglinge. Für Aufgeber. Für alle, die es sich im Leben leicht machen wollen. Denke ich zumindest. Wer hat so einen Schrott überhaupt erfunden? Warum müssen wir uns immer darauf verlassen können, dass wir nicht alles geben müssen, denn es gäbe ja schließlich eine Ausweichmöglichkeit. Warum kämpfen wir nicht bis zum Schluss? Warum brauchen wir immer eine Sicherheit, sogar fast eine Versicherung? Nein! Plan B gibt es nicht!
Entweder man lernt für eine Prüfung oder man lernt eben nicht! Was wäre hier der Plan B? Einfach aus dem Raum herausstürmen? Um sein Leben rennen? Abhauen? Sich verkriechen? Auswandern???
So ist das doch auch im Leben: Entweder man ist oder man ist nicht. Entweder man macht was aus seinem Leben. Oder eben nicht! Alles oder nichts! Plan B ist nichts.
Schon allein wie sich das anhört… Erinnert doch irgendwie an B-Ware, B-Prominenz, B-kloppt. Oder?
Warum mich das Ganze so sehr aufregt? Ganz einfach: Ich war 16. Gerade die 10. Klasse abgeschlossen. Hatte nicht nur einen Plan, sondern eine Vision von dem, was ich erreichen wollte: Das Fachabi, eine Mode-Ausbildung oder -Studium, ein eigenes Label.
Und was wurde mir schon damals gesagt? Genau: „Oh Gott! Mit Kopftuch? Wie willst du das schaffen? Mach dir bitte nicht so viel Hoffnung. Du brauchst unbedingt einen Plan B.“
Ich war jung. Naiv. Habe darauf gehört. Mich als Azubi im Kindergarten beworben. Wurde angenommen. Toll oder? Einfach mal den einfachen Weg zu wählen. Sich nicht anzustrengen. Nichts zu haben, wonach man streben muss.
Nicht, dass ich den Beruf der ErzieherInnen kleinreden möchte. Sie sind für unser Land tausend mal wichtiger als Designer. Wirklich! Und damit meine ich alle Designer. Egal ob Grafik-, Interior-, Medien- oder Modedesigner. Im Vergleich zu Erziehern könnte die Welt auch ohne uns auskommen. Es wäre zwar alles potthässlich. So richtig potthässlich. Aber wir könnten alle zur Arbeit gehen, ohne kleine Lindas und Noras mitschleppen zu müssen.
Zurück zum Thema: Es war eben nicht mein Plan. Sondern der Plan der anderen. Ich hatte einfach alles hingenommen, aufgegeben, mich verbogen und wehrlos ergeben.
Dennoch zeichnete ich mich durch die Ferien, anstatt mich auf die Ausbildung vorzubereiten. Und da hat es Klick gemacht. Ich wollte das nicht. Ich wusste was meine Berufung war. Meine Vision war klar und hatte keinen Platz für ein blödes „B“.
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Zum vorherigen Teil der Kolumne: http://basmamagazine.com/2016/02/16/alles-halal-hau-rein/
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