#AskIman: Aggressiver Ehemann

Thema: Aggressiver Ehemann

Alter: 33

Geschlecht: weiblich

Nachricht: Ich habe meinen Mann mit 23 Jahren geheiratet. Wir haben noch während des Studiums geheiratet. Wir haben beide Maschinenbau studiert. Kurz nach der Hochzeit erfuhr ich, dass ich schwanger bin und musste mein Studium unterbrechen. Leider konnte ich es nicht mehr aufnehmen, da nach dem ersten Kind schon das zweite kam. Inzwischen haben wir 3. Mein Mann hat weiterstudiert und nach dem Studium seinen ersten Job bekommen, masha Allah, es läuft wirklich gut. Das Geld reicht aus, um uns als Familie gut leben zu lassen, al Hamdi Allah . Das ist auch das Hauptproblem zwischen uns. Er will nicht, dass ich arbeite und ich fühle mich nutzlos und wertlos. Meine Kinder sind entweder in der Schule oder im Kindergarten und ich habe nichts. Versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe meine Kinder und ich liebe es Mutter zu sein, aber ich habe ständig das Gefühl nichts erreicht zu haben und ich weiß, dass ich mehr erreichen kann.  So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Jedes Mal, wenn ich das Thema mit meinem Mann besprechen will, dreht er völlig durch und er will auf keinen Fall, dass ich mein Studium wieder aufnehme oder anfange zu arbeiten. Wir streiten nur noch, weil mich das alles so unglücklich macht. Er sagt, dass Maschinenbau nichts für muslimische Frauen ist. Wenn ich anderen Studiengänge oder einen anderen Beruf vorschlagen will, sagt er, dass es Zeitverschwendung sei und ich mit den Kindern sowieso nicht schaffen kann. Seit ungefähr 6 Jahren trage ich ihm zuliebe das Kopftuch. Ich habe nichts dagegen, aber ich glaube, dass ich es von alleine nicht angezogen hätte. Aber sein Wunsch hat mich nie stutzig gemacht. Jetzt bin so geschockt, weil er niemals so gedacht hat und ich nicht weiß, wann er sich so verändert hat. Ich habe das Gefühl, dass er so verklemmt ist. Geschlagen hat er mich nicht, aber wenn wir streiten und wir streiten über alles mögliche, habe ich oft Angst, dass es passiert. Er hat sich gar nicht mehr unter Kontrolle. Er wird sehr laut und schlägt oft Sachen kaputt, manchmal sogar vor den Kindern, die sich dann im Zimmer verstecken. Ich will meinen Mann nicht verlassen, weil die Kinder sehr an ihm hängen und er ein guter Vater ist. Aber je älter wir werden desto mehr verändert er sich. Ich kenne das aus meiner Familie so nicht. Ich bin in einem strengen Haus groß geworden, aber meine Eltern haben mich nie so eingeengt oder unter Druck gesetzt. Leider kann ich mit meiner Familie auch nicht offen darüber reden, weil wir in eine andere Stadt gezogen sind. Ich sehe sie nicht oft und will nicht, dass man sich wegen mir Sorgen macht.

Liebe Weiblich, 33,

Danke für deine Nachricht und für das Vertrauen, das Du Basma Magazine entgegen bringst. Es bedeutet uns sehr viel, dass du den Mut gefunden hast, Deine Geschichte mit uns zu teilen.

Ich habe Deine Nachricht mehrfach gelesen und musste sehr lange darüber nachdenken, wie ich am besten die Antwort beginne. Ich lese in deinen Worten viel zwischen den Zeilen, weil mir solche Geschichten im professionellen Sinne nicht unbekannt sind. Häufig ist Gewalt, ob nun verbale oder körperliche, ein schleichender Prozess. Nur sehr selten steht man eines Morgens auf und bemerkt, dass der Partner sich so sehr verändert hat, so dass man ihn kaum wieder erkennt. Dennoch gibt es Warnsignale, die auf eine Veränderung hindeuten.

Ich denke, ich spreche erstmal die Aspekte an, die nur Dich und Deine persönliche Weiterentwicklung betreffen, unabhängig von der Mutterschaft und Ehe. Jeder Mensch, egal ob einer Religion zugehörig oder nicht, hat das Recht darauf sich weiterentwickeln. Um es noch klarer auszudrücken: Weiterentwicklung und Veränderung sind die einzigen Konstanten im Leben eines Menschen. So wie sich Lebensumstände verändern, verändert sich auch der Charakter des Menschen. Ob man nun will oder nicht, dies ist das Gesetz des Lebens. Nichts bleibt wie es ist. Nur weil Du Mutter geworden bist, bedeutet das nicht, dass dies die einzige Rolle bleiben soll und muss, die Du im Leben erfüllen wirst. Wir alle erfüllen viele Rollen im Leben. Man ist Schwester/Bruder, Mutter/Vater, Arbeitgeber/Arbeitnehmer, etc. Nicht jede Frau ist nur mit der Rolle der Mutter erfüllt, auch wenn diese Rolle wahrscheinlich die wichtigste in ihrem Leben bleiben wird.

Manchmal, wie in Deinem Fall, unterbricht man ein Studium oder eine Ausbildung, um sich dieser neuen Rolle voll und ganz zu widmen. Aber wie alles im Leben ist Mutterschaft nicht schwarz oder weiß, sondern birgt viele Facetten, die jede Frau für sich selbst erkunden muss. Das ist nicht verwerflich und steht in keiner Weise im Kontrast zur Religion. Es gibt so viele muslimische Frauen, die Mutterschaft und Beruf unter einen Hut bringen – und das mit Erfolg!

Hat also Dein Mann das Recht Dir vorzuschreiben, wie Du diese Seite Deines Selbst zu leben hast? Generell ist die Antwort hierauf definitiv: NEIN!

Du erwähnst nichts über seine Gründe und ich gehe davon aus, dass er Dir auch keine Gründe genannt hat. Deswegen will ich auch nicht lange spekulieren, warum er sich so dagegen wehrt.

Worauf ich jedoch eingehen muss, ist die Art und Weise, wie er mit Dir kommuniziert. Das Kopftuch ihm zuliebe zu tragen, ist für mich das erste Warnsignal, dass ich sehr ernst nehme. Natürlich kann man in einer Partnerschaft Präferenzen und Wünsche kommunizieren, aber man darf dem anderen nichts aufzwingen. Das gilt vor allem bezogen auf die Religion. Und ich beziehe mich hierbei auf den Teil des Verses (2:256): Es gibt keinen Zwang im Glauben!

Es gibt Entscheidungen, die er Dir nicht abnehmen kann und nicht abnehmen sollte.

Seine Aggressivität deutet auf interne Probleme hin, die vermutlich nur sehr wendig mit Dir zu tun haben. Schlag ihm doch eine Paartherapie vor. Wichtig ist hierbei, dass Du ihm zu verstehen gibst, dass das Problem da ist und angesprochen werden muss. Es ist ganz wichtig Schuldzuweisung zu vermeiden, da es viel in ihm auslösen könnte. Jeder Mensch will in erster Linie verstanden werden und fängt man solche Gespräche mit Vorwürfen kann, geht es häufig in die Hose. Beziehungskonflikte zu verstehen ist nicht einfach. Frustration kann ausarten und Wut und Aggressionen hervorrufen. Vielleicht solltest du ihm mitteilen, dass sein Verhalten Dir Angst macht. Denn es kann sein, dass er sich dessen nicht bewusst ist.

Die Vorgehensweise ist wirklich schwierig und ich denke tatsächlich, dass der Grund für seine Reaktionen im Augenblick viel wichtiger ist, als das Thema an sich. Auch wenn das Berufsthema den Stein ins Rollen brachte, so muss man zunächst erfahren, warum er so reagiert wie er reagiert. Nur so habt ihr eine Chance eine gesunde Beziehung zu führen, wenn es das ist, was Du wirklich willst. 

Sollte es nicht mehr möglich sein Grenzen zu setzen und solltest Du Dich akut bedroht fühlen, dann musst Du Dir Hilfe holen. Und solltest Du aus irgendwelchen Gründen Deine Familie nicht einbeziehen wollen, dann musst Du Dich an Beratungsstellen wenden, die Dir helfen werden. Was bei Dir anfängt, kann sehr schnell auf die Kinder zurück fallen. Es ist schlimm genug für Kinder, wenn die Mutter leidet, werden sie jedoch auch zur Zielscheibe, ist das Endergebnis fatal.

Bitte melde Dich privat bei mir, solltest Du Hilfe brauchen. Ich könnte Dir, für den Fall der Fälle, ein paar Anlaufsstellen in Deiner Stadt nennen.

 

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