Wie wird Rassismus in den Medien platziert?

Wenn wir darüber nachdenken, was auf unser Mindset und unsere Einstellung zu komplexen Themen am meisten Einfluss hat, so sind es sicherlich nicht nur unsere Familie und Freunde. Es ist das, was wir konsumieren. 

Es ist kein geheimes Phänomen, dass wir durch das geformt werden, mit dem wir am meisten Zeit verbringen. Die größte Errungenschaft im 21. Jahrhundert sind wohl die digitalen Mittel, durch die wir uns unsere Informationen aneignen. Wie eng wir mit den neuen digitalen Medien verknüpft sind, bemerken wir erst, wenn wir nach und nach reflektieren, wie wir unsere Freizeit verbringen und welche Meinungen und Wahrnehmungen wir unreflektiert übernehmen. Unsere Wahrnehmung auf politische und soziale Ereignisse gestalten wir durch unseren täglichen Medienkonsum. Komplexe Themen wie Rassismus und Diskriminierung laufen in unserer schnelllebigen Welt Gefahr, nicht ausführlich genug oder entsprechend ihrer Komplexität behandelt zu werden.

Umso mehr freut es uns, euch im folgenden, unserer Meinung nach, gelungene Auseinandersetzung mit Rassismus vorzustellen.

  1. „Kleine große Schritte“ von Jodi Picoult

Ruth Jefferson arbeitet seit zwanzig Jahren als Hebamme im Mercy – West Haven Hospital. Sie hilft Kinder auf die Welt zu bringen, kümmert sich um Neugeborene, assistiert bei OPs und geht ganz in ihrem Beruf auf. Sie ist bei ihren Kolleginnen beliebt und stemmt die Herausforderung, als alleinerziehende Mutter ihren Sohn zu erziehen.
Dass sie schwarz ist, war bisher nie ein Problem, bis der Vater eines Säuglings ihr untersagt, sein weißes Baby anzufassen. Ruth bekommt von der Stationsschwester die Anweisung, den kleinen David nicht zu behandeln, sich von ihm komplett fernzuhalten. Als David jedoch um sein Leben kämpft und niemand außer Ruth da ist, gerät sie in Gewissenskonflikt. Kann sie verantworten, das Baby durch Unterlassung eventuell sterben zu lassen oder soll sie ihren Job riskieren und ihn behandeln?

Jodi Picoult gelingt es, die Leserinnen und Leser auf einen Diskurs über Rassismus, Privilegien und Verantwortung mitzunehmen. Sie schafft es, uns während dieser Reise zum Nachdenken und Hinterfragen zu ermutigen. Sie deckt Alltagsrassismen auf und lässt die Geschichte aus drei unterschiedlichen Perspektiven lesen: Turk, der als stolzer Neo-Nazi und Vater des Säuglings an die reine Blutrasse glaubt und alles dekreditiert,  was nicht zur Weißen Supermacht gehört. Ruth Jefferson, eine schwarze US-Bürgerin, die sich immer als integrierter Bestandteil der US-Bevölkerung sah und sich plötzlich mit 44 Jahren die Frage nach der Zugehörigkeit stellt, sowie Kennedy, eine Pflichtverteidigerin, die schon immer stolz auf ihre Arbeit als Vertreterin der Minoritäten gesehen hat und nun ihre eigenen Privilegien in der Gesellschaft hinterfragen muss.

„Wenn ich schon nichts Großes bewirken kann, kann ich doch auf großartige Weise kleine Schritte machen. “ – Martin Luther King Jr.

Der Titel des Buches lehnt an eine Rede von Martin Luther King Jr. an und verstärkt die Message des Buches, welche von Picoult in Form eines gelungenen Romans wiedergegeben wurde: Nämlich, dass wir alle ein Teil einer Gesellschaft sind, die wir formen und ändern können, selbst mit den kleinsten Schritten.

2.  „Let’s talk about race“ von Chris Buck

Rassismus und Diskriminierung sind mehr als die kleinen Vorurteile, die wir in unseren Köpfe haben. Wir reden uns ein, dass diese klein und machtlos sind und keinen Einfluss auf andere Menschen haben, wenn wir sie aufgrund ihres Geschlechts, Herkunft oder Religion stereotypisieren und in Schubladen denken.

Wie machtvoll solche Gedanken sind, wird anhand der gelungenen Bilderreihe von Chris Buck deutlich, welche er 2017 im O, The Oprah Magazine veröffentlichte:

Ein junges blondes Mädchen in einem rosa Kleid steht in der Spielzeugabteilung und schaut auf all‘ die Barbie-Puppen, um sich letztlich eine auszusuchen. Wir befinden uns in einem schicken Vorort von Beverly Hills in einer exklusiven Villa. Es ist Mittagszeit, die Hausbesitzerin bekommt ihren Tee serviert. Ein gut besuchtes Nagelstudio. Wir sehen eine Reihe von jungen Frauen mit asiatischen Wurzeln.

Welche Bilder hast Du beim Lesen vor Augen? Was ist, wenn das junge blonde Mädchen, in einer Reihe von Barbies schaut, die dunkle Locken haben und schwarz sind? Die junge Hausbesitzerin eine Latina ist und ihren Tee von einer US-Amerikanerin serviert bekommt? Und die Asiatinnen nicht im Nagelstudio arbeiten, sondern Kundinnen sind?

 

Chris Buck gelingt es, mit diesen einfachen Darstellungen die tiefsten Vorurteile in uns herauszuholen und lässt uns mit einer essentiellen Frage zurück:

Wie oft wird uns etwas zugeschrieben, was nicht zu uns gehört? Wie oft schreiben wir Menschen etwas zu, was nicht zu Ihnen gehört?

 

3.  „Der 13.“ von Ava DuVernay

Dass Dokus nicht immer langweilig und eintönig sind und mindestens so spannend wie eine Serie sein können, ist spätestens seit der Veröffentlichung der Doku Der 13. von der Filmregisseurin Ava DuVernay völlig sicher. Diese wurde 2017 für einen Oscar nominiert und bereits in den ersten Minuten ist erkennbar warum: DuVernay gelingt es, einen Zusammenhang zwischen der Sklaverei in den USA und heutigen überfüllten Gefängnissen herzustellen und stellt die These auf, dass das Gefängnis heute eine Form der modernen Sklaverei ist. Mit erschütterndem Material, Interviews mit Bürgerrechtlern, Politiker,ehemaligen Gefängnisinsassen, Beratern sowie Unternehmensvertretern zeigt sie, dass eine Urteilsverkündung in den USA meist wenig mit Gerechtigkeit zu tun hat, sondern mit der Herkunft und der Hautfarbe des Menschen.

Die noch immer anhaltende strukturelle und zum Teil politisch – verankerte Diskriminierung wird in dieser Dokumentation exemplarisch am Gefängnissystem aufgezeigt und lässt die Zuschauer hinterfragen, wie es hierzu trotz der Vergangenheit kommen konnte.

Der 13. sowie das Interview mit DuVernay läuft auf Netflix.

 

4. „Monsieur Claude und seine Töchter“

Was haben ein Jude, ein Moslem und ein Chinese gemeinsam? Richtig! Einen stolzen französischen Schwiegervater, der sich für seine Töchter stolze französische Ehemänner gewünscht hätte, die dieselben Ideale und Wünsche nach einer reinrassigen Familie geteilt hätten. Mit viel Humor und Augenzwinkern führen uns die Macher des Films in die Voreingenommenheit von Monsieur Claude und seiner Ehefrau, denen nicht bewusst ist, warum es falsch ist, nationalistisch zu sein. Als es zur  langsamen Annäherung aufgrund von verdeckten Gemeinsamkeiten mit seinen drei Schwiegersöhnen kommt, verkündigt seine jüngste Tochter ihre Verlobung mit Charles. Er ist Franzose und Katholik – bekommt Monsieur Claude nun den langersehnten Schwiegersohn, den er sich wünscht?

Die Stärke des Filmes liegt in seinem Humor, sowie der offenen Darstellung von diskriminierenden Aussagen. Trotz des Humors besitzt der Film viel Tiefe, denn er zeigt, dass Rassismus kein westliches, sondern ein weltweites Phänomen ist, welches sehr wohl von Minoritäten ausgeübt werden kann.

 

5. „TedxTalk – Organised Love von Kübra Gümüsay“

Unser medialer Diskurs endet in Deutschland mit der freien Autorin, Journalistin, Referentin und Aktivistin Kübra Gümüsay und ihrem TedxTalk Organised Love aus dem Jahr 2017 in Berlin.

Sie beschreibt ihre Tätigkeit als verantwortungsbewusste intellektuellen Putzfrau, die Rassisten, Antisemiten, Islamophoben, Xenophopen und Extremisten hinterherputzt und auf den Schmutz eingeht, den diese in die Welt werfen. Sie spricht die Herausforderungen an, mit denen sich Aktivisten identifizieren können, nämlich der eigenen Identitätskrise und die Gründe, warum man sich selbst in der Verantwortung sieht, sich direkt mit dem Hass zu konfrontieren.

 

„In the last couple of weeks I embraced it. I embraced it. This is my narrative. My narrative is the narrative of love. Actually I am hopeful for the future, because I know, we will make a mess. A beautiful mess. Coulourful mess. A loving mess. A mess of love – that no one needs to clean after.“

 

Akkurat greift sie das Phänomen des Internets auf, welches die Geschichte und Beständigkeit des Hasses gegenüber Minderheiten verändert hat. Ein Moment, in dem jemand im Internet rassistisch angefeindet wird, ist nun für alle sichtbar.  Sie ermutigt dazu, dass Narrativ der öffentlichen Erzählweise über Minoritäten zu ändern, zu beeinflussen. Aktiv zu werden.  Kübra ruft zur Organised Love auf, welche nicht nur vollzogen werden kann, wenn man selbst politisch und aktiv ist, sondern schon damit beginnt, mit seinen Mitmenschen die Interaktion zu überdenken und zu reflektieren.

Inspirierend, reflektierend und selbstkritisch nimmt uns Kübra mit und motiviert uns, unsere Geschichten selbst zu schreiben. Die Sichtweise auf uns neu zu gestalten. Den TedxTalk findet ihr hier.

 

 

 

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