Der erste Morgen in London.
Der Plan für heute? Einfach mal entspannen. So wie lange nicht mehr.
Schön essen gehen mit der Familie, die Stadt anschauen und einfach mal nicht arbeiten. Hach, so könnte mein Morgen eigentlich immer beginnen.
Es ist gerade 10 Uhr, die Kinder hüpfen auf ihren Betten rum und singen irgendwas auf Englisch. So viel zum Thema Integration.
Heute wartet ausnahmsweise mal keine Arbeit auf mich. Kaum zu fassen, oder? Die Kollektion ist im Kasten… naja, besser gesagt im Koffer und…Moment: Ich bin gerade in einem Luxus-Bungalow aufgewacht! Wie das unendliche Chaos von gestern so wunderschön enden konnte? Zufall, Fügung, Schicksal, jeder kann es nennen, wie er möchte.
Ich bin so dankbar, dass das gestrige Drama zu solch einem friedlichen und glücklichen Happy End geführt hat. Vielleicht hört sich das jetzt für den ein oder anderen komisch an, aber ich glaube ganz fest daran, dass es die erhörten Gebete unserer Eltern und Großeltern sind, die uns jedes Mal retten. Sogar wenn meine Oma sagt: „Ich habe dich in meine Gebete eingeschlossen“, passiert etwas Wunderschönes. Man weiß oft nicht wann und wie. Aber es passiert…
Oh nein! Das Frühstück! Hatten die gesagt bis halb oder punkt elf Uhr? Egal. Beides zu knapp. Schnell machen wir uns fertig und gehen ins Hotel-Restaurant. Es gibt noch genug zu essen, Gott sei Dank!
Wir holen uns Teller und machen eine kleine Runde ums Büffet, um erst mal zu schauen, was es so gibt und bleiben alle an der selben Stelle stehen. Meine Schwester, mein Bruder und ich werfen uns Blicke zu, die Bände sprechen. Steht da wirklich „Halal“? Das ist doch Bacon?! Und die Würstchen daneben auch noch… Und die tolle Schinkenwurst auch???
Oh, mein Gott! Wir sind im Halal-Schlaraffenland! Das Hotel sollte so heißen! Na ja… lieber nicht. Das Wort klingt für die meisten Nichtmuslime nicht gerade friedlich und wird eher mit was Negativem assoziiert. Zumindest in Deutschland. Schade eigentlich. Es geht hier doch nur um Essen. Tolles Essen. Ich meine: Halal-Haribos haben zu 100% keinen Sprengstoff in den Zutaten! Ich schwöre! Das kann jeder auf der Rückseite der Verpackung nachlesen. Außerdem wären sie dann doch gar nicht genießbar…ach egal.
Wir essen vom British Halal Bacon sooooo viel, dass sich das Küchenpersonal – nach ihren Blicken zu urteilen – bestimmt schon Sorgen um die Vorräte der nächsten Tage macht. Unser erster Bacon. Mein Bruder beschreibt die Situation ganz prompt: „Ist ja klar, dass wir uns wie kleine verfressene Kinder verhalten, deren Eltern gerade nicht dabei sind.“
Er hat recht. Sie sind ja wirklich nicht da. Und wir sind Kinder. Zumindest ihre Kinder. Große Kinder. Kinder, die ohne Bacon aufgewachsen sind. Kinder, die das wesentliche Lebensmittel des Lebens verpasst haben. Wir sind einfach ohne Bacon aufgewachsen. Einfach so… ohne Bacon. Kann man das noch Kindheit nennen? Eine Kindheit ohne Bacon?! Na ja… anscheinend schon, denn Baby Linda und Nora finden den total uninteressant und greifen stattdessen lieber zum Nutella. Sollte ich mir jetzt Sorgen um ihre ebenfalls Bacon-lose Kindheit machen?
Das Beste kommt noch: In der Stadt hängt an fast jedem Eingang der Restaurants ein Halal-Schild: Das kleine asiatische Restaurant in der Gasse zur Chinatown, der Subway an der Main Station, Burger King und McDonald’s im Einkaufszentrum, das italienische Restaurant nahe Big Ben… Alles halal!!! Warum heißt London dann nicht Halaldon? Achso, ja… böses Wort, sorry!