Ich bin nicht wahlberechtigt.
Ich habe keine deutsche Staatsangehörigkeit, deshalb darf ich nicht wählen gehen. Dass ich nicht wählen gehen konnte, hat mich bei der letzten Wahl, in der ich volljährig war, nicht so sehr gestört. Ich war schon früh sehr politisch engagiert und hatte immer das Gefühl, selbst etwas bewegen zu können. Direkt, vor Ort bei den Menschen eine Veränderung hervorbringen zu können. Für mich ist politische Partizipation und die Mitgestaltung unseres Landes viel mehr, als nur alle vier Jahre ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel zu setzen – bis zur diesjährigen Wahl.
Natürlich kann man jetzt sagen, hey, warum hast du denn die deutsche Staatsbürgerschaft nicht schon vor langem beantragt? Manchmal stehen die simpelste Dinge, wie die Öffnungszeiten des Amts im Weg (Ich war ab 18 jahrelang Pendlerin und von 8 bis 18 Uhr außerhalb der Stadt in der ich wohnte, nachdem ich umgezogen bin, wäre es zeitlich machbar gewesen, finanziell aber erstmal nicht drin.) Vor ca. einem halben Jahr habe ich die Staatsbürgerschaft dann beantragen können, aber es dauert eben ein bisschen, bis dieser Antrag auch geprüft und genehmigt ist. Und aus diesem Grund kann ich bei der Wahl am Sonntag nicht teilnehmen, obwohl ich es mir so sehr wünsche.
An den Wahlen meines „Passlandes“ nehme ich grundsätzlich nicht teil. Ich lebe nicht dort und finde es nicht richtig, für die Menschen dort zu wählen, hier in Deutschland möchte ich etwas bewegen können, hier in Deutschland wünschte ich, meine Stimme würde auch zählen. Wahlen sind ein unglaubliches Privileg, für das Menschen weltweit auf die Straßen gegangen sind (und heute noch gehen), für dieses Recht wurde hart gekämpft, um ein Land durch die eigene Stimme mitentwickeln zu können. Und wie gesagt, in den vergangenen Jahren fand ich es schade, nicht mitwählen zu können, aber dieses Jahr lässt es mich verzweifeln, dass ich meine Stimme nicht abgeben darf.
Jetzt sieht die Situation nämlich anders aus. Das erste mal seit den dreißiger Jahren, das erste mal seit der größten Tragödie unseres Landes sieht es so aus, als ob eine Partei von Rechtspopulistinnen und Rassistinnen in den Bundestag einziehen wird. Eine Partei, die in ihr Wahlprogramm mehr als nur ein oder zwei willentlich separierenden Fehlinformationen eingebaut haben. Von den unfassbaren Aussagen der Vertreter*innen dieser Partei möchte ich gar nicht erst anfangen.
Für mich als Muslima mit Zielen und Träumen für die Zukunft ist diese Partei ein einziger Alptraum, obwohl, vielmehr ist es der ZUSPRUCH, den diese Partei gerade hier in Deutschland erfährt mein Alptraum. Und ich fühle mich dagegen machtlos, denn ich, als Nicht-Wahlberechtigte, kann kein Kreuzchen setzen und somit gegen die AfD stimmen und aktiv etwas gegen sie unternehmen. Und dieses Gefühl der Machtlosigkeit gegen den politisch legitimierten Rechtspopulismus in Deutschland macht mich wirklich fertig.
Deswegen richtet sich dieser Text an all diejenigen, die wahlberechtigt sind. Bitte nehmt von eurem Recht Gebrauch. Geht wählen und setzt ein Zeichen gegen die Partei, die unser Land spalten möchte. Setzt ein Zeichen gegen Hass, Rassismus und Ungerechtigkeit. Wählt nach euren eigenen Interessen, und wenn euch keine der Groß – oder Kleinparteien zusagt, wählt auch gerne eine Kleinstpartei. Und wenn ihr aufgrund eurer Prinzipien selbst nicht wählen gehen wollt – das gibt es und ich verurteile das nicht – dann verschenkt nicht einfach eure Stimme, sondern gebt sie jemandem, der*die nicht wahlberechtigt ist und wählt an ihrer Stelle am Sonntag, und gebt denjenigen eine Stimme, die sie so verzweifelt haben wollen
UND GANZ WICHTIG: Vergesst nicht eure Eltern. Viele Eltern sind wahlberechtigt, kennen sich mit dem System aber nicht gut genug aus. Unterstützt eure Eltern, erklärt ihnen, wie das Wählen funktioniert und begleitet sie am Sonntag durch den ganzen Papierkram.
Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht an dieser Wahl teilzunehmen, für ein weltoffenes, diverses und lebendiges Deutschland frei von Politiker*innen im Bundestag, die nichts als Angst, Hass und Missgunst sähen wollen.
Deine Stimme zählt! Geh wählen!