Im ersten Teil haben wir besprochen, wie man am besten ein Gespräch und die Umgebung gestalten sollte. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der richtigen Art und Weise der Kommunikation. „Communication is Key“ ist zurzeit in aller Munde. Aber der eigentliche Schlüssel ist, WIE man mit seinen Mitmenschen kommuniziert. Der Psychologe Marshall B. Rosenberg aus den USA hat dafür ein sehr hilfreiches, dennoch einfach umsetzbares Modell, der gewaltfreien Kommunikation (GfK), entwickelt. Die gewaltfreie Kommunikation soll dabei helfen uns klarer auszudrücken und dennoch ehrlich zu unserem Gegenüber zu sein.
Die Basis dieses Modells ist die Empathie. Empathie für die Person, mit der man redet, aber auch Selbstempathie darf man nicht außer Acht lassen. Es hat einen hohen Stellenwert in sich reinzuhören und zu schauen, wie man sich fühlt und wie es einem mit der Konfliktsituation geht. Das langfristige Ziel von Rosenberg mit diesem Modell ist es durch die verbesserte Kommunikation zwischen zwei Personen das Vertrauen in der Beziehung zu fördern und diese wertschätzender zu gestaltet. Aus diesem Grund wird es von vielen auch „verbindende Kommunikation“ genannt.
Zum besseren Verständnis der gewaltfreien Kommunikation wurde ein fiktives Beispiel beleuchtet. Die gewählte Situation spielt sich zwischen zwei guten Freundinnen ab. Freundin A hat die Beschwerde, Freundin B hätte keine Zeit für sie. Deshalb meldet sich Freundin A nicht bei ihr und es findet auch kein Treffen zwischen ihnen statt. Nach einigen Wochen entschließt sie sich für ein klärendes Gespräch.
Rosenberg teilt das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation in vier Schritten auf:
1. Beobachtung
Der erste Schritt ist es die Situation frei von Bewertungen zu beobachten und sachlich zu schildern. Rosenberg ist es sehr wichtig, dass man die objektive Beobachtung von seiner subjektiven Bewertung trennt. Da unsere Wahrnehmung häufig subjektiv und verzerrt ist, kann es für eine konstruktive Kommunikation sehr hilfreich sein die Situation objektiv und sachlich zu schildern. Damit sich die Person nicht angegriffen fühlt, sollte man neben der Bewertung auch auf Verallgemeinerungen wie „nie“ und „immer“ verzichten. Dies weckt bei den meisten das Gefühl sich verteidigen zu müssen und so könnte sich ein Gespräch sehr schnell zuspitzen. So einfach dieser Schritt zu sein scheint, fällt es den meisten jedoch recht schwer eine Beobachtung ohne eine Wertung zu äußern. Doch Übung macht den Meister ;).
Problematisches Beispiel: „Du meldest dich nie bei mir. Immer muss man sich bei dir melden.“
Nach GFK: „Meine Beobachtung ist, dass ich mehrmals versucht habe dich zu erreichen. Leider habe ich von dir keine Antwort erhalten.“
2. Gefühle
Im zweiten Schritt soll nun in sich reingehört werden, um wahrzunehmen, welche Gefühle durch die beobachtete Situation in einem aufsteigen. Diesen Vorgang kann man durch den Ansatz der Selbstempathie angehen, indem man seine Gefühle in „Ich-Aussagen“ verpackt und an die Freundin vermittelt. „Ich-Aussagen“ sind deshalb essenziell, da sie verdeutlichen, dass dieses Gefühl bei mir hochkommt, was andere anders interpretieren. Andererseits übernimmt man so auch Verantwortung für seine eigenen Gefühle und vermeidet die direkten Schuldzuweisungen an die Person gegenüber. Für viele kann dieser Schritt schwierig sein, da man mit dem Ausdruck seiner eigenen Gefühle sich verletzlich zeigt und sein Inneres offenbart. Aber das ist die einzige Möglichkeit, dem Empfänger bewusst zu machen, was die Situation bei einem auslöst. Zugleich wird auch die andere Person dazu ermutigt in ihr Inneres zu schauen und es dir gleichzutun.
Problematisches Beispiel: „Das ist echt total blöd von dir, weißt du das?“
Nach GFK: „Ich habe mich vernachlässigt gefühlt und als wäre ich dir nicht mehr wichtig.“
3. Bedürfnisse
Hinter allen Gefühlen, die wir erleben, stecken Bedürfnisse von uns. Bedürfnisse sind von Grund auf immer positiv und berechtigt. Negative Gefühle entstehen nur dann, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Konflikte wiederum resultieren sich, wenn unsere Bedürfnisse nicht mit den Bedürfnissen unserer Mitmenschen vereinbar sind. Die meisten Menschen sind sich ihren Bedürfnissen gar nicht bewusst und müssen diese erst entdecken. Auch hier kommt die Selbstempathie mit ins Spiel, denn durch diese können wir unsere Bedürfnisse identifizieren. Rosenberg formuliert neun Grundbedürfnisse, die mit unterschiedlichen Ausprägungen bei uns allen vorhanden sind:
1. Körperliches Wohlbefinden
2. Sicherheit
3. Liebe
4. Empathie/Einfühlung
5. Kreativität
6. Geborgenheit
7. Spiel, Erholung
8. Autonomie, Willensfreiheit
9. Bedürfnis nach Sinn/einer Aufgabe
Diese und viele weitere Bedürfnisse spielen beim Entstehen von Gefühlen eine maßgebliche Rolle. Durch das Bewusstwerden eigener Bedürfnisse und Aussprache dieser wird Klarheit und eine solide Grundlage für eine Lösung geschaffen. Darüber hinaus kann man durch die Vermittlung seiner Bedürfnisse die Gefühle etwas besänftigen, da man realisiert, dass hinter allen negativen Gefühlen lediglich positive Bedürfnisse stecken.
Problematisches Beispiel: „Das geht so nicht, dass man sich nicht einfach meldet bei seiner Freundin.“
Nach GFK: „Mir ist Austausch und Kommunikation mit meiner Freundin sehr wichtig.“
4. Bitte
Im letzten Schritt soll man um ein konkretes Verhalten bitten, welches das Bedürfnis erfüllt. Es soll vermieden werden einen Wunsch zu formulieren, da ein Wunsch eher vage ist und eher in der Zukunft liegt. Eine Bitte wiederum aktiviert umgehend ein konkretes Verhalten. Man sollte hier darauf achten, diese in einem freundlichen Ton und Formulierung zu vermitteln und nicht als Forderung aufzufassen. Zudem setzt eine Bitte immer voraus, dass die Person diese auch widersprechen kann.
Problematisches Beispiel: „Das nächste Mal gehst du sofort an dein Handy, wenn ich dich anrufe!“
Nach GFK: „Ich bitte dich um mehr Kontakt zwischen uns und würde mich freuen, wenn wir mindestens einmal in der Woche miteinander sprechen. Ich weiß, dass du sehr beschäftigt bist, aber möglicherweise ist das machbar.“
Nachdem man alle diese Punkte abgearbeitet hat, sollte man auf jeden Fall dem Zuhörenden nun die Möglichkeit geben, das alles zunächst wirken zu lassen. Oft sind Menschen sich ihrem Effekt auf andere gar nicht bewusst und das Modell hilft dabei dies verständlich zu vermitteln. Das Modell von Rosenberg müssen nicht beide Gesprächspartner zwingend kennen. Selbstverständlich würde es das Gespräch vereinfachen, aber man kann die Schritte auch wunderbar zum empathischen Zuhören nutzen. Während wir die vier Schritte für unsere eigene Kommunikation nutzen, kann man sie auch ausgezeichnet in Fragen umformulieren. So erfragt man bei seinem Gesprächspartner seine Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Dies wiederum hat den positiven Effekt, dass sich dein Gesprächspartner sehr wertgeschätzt und ernst genommen fühlt.
Gewiss wird jeder einmal die Erfahrung machen, dass die einzelnen Schritte und vor allem die „Bitte“ nicht akzeptiert werden. In diesem Fall sollte man sich um einen Kompromiss bemühen; in vielen Fällen wird das nicht möglich sein. Dann ist jeder dazu verpflichtet selbst zu entscheiden, wie bedeutsam einem das Bedürfnis ist und ob man so die Beziehung guten Gewissens weiterführen kann. Jedoch können richtig gelöste Konflikte mit seinen Mitmenschen bereichernd sein. Denn diese können genutzt werden um sich selbst und auch die andere Person besser kennenzulernen.