Liebes Ramadan Tagebuch,

ich bin heute ganz in Gedanken versunken. Dieses Jahr fühlt sich Ramadan ganz besonders für mich an. Es ist das erste Mal, dass ich nicht im Uni-Stress stecke oder mich auf der Arbeit abhetze. Ich hatte das Glück am dritten Tag des Ramadans meine letzte Prüfungsleistung für den Masterabschluss abzulegen und in den nächsten Wochen wesentlich mehr Zeit als je zuvor zu haben. Damit geht natürlich auch eine besondere Verantwortung einher. Wie nutze ich diese Zeit am besten?

Ich habe das Gefühl, Gott gab mir diese Zeit, damit ich mein Herz ausmisten und ihm näher kommen kann. Also überlegte ich, was blockiert mein Herz am meisten? Was steht zwischen mir und der Barmherzigkeit Allahs? Die Antwort war mir eigentlich irgendwo bewusst, aber vor einigen Tagen, als ich es in einem Vortrag hörte, gab mir mein Herz ein eindeutiges Zeichen. Ich muss endlich verzeihen, auch wenn ich nie um Verzeihung gebeten wurde.

Ich weiß… es klingt so basic. Es gibt so viele Koranverse und Überlieferungen, die uns sagen, wie wichtig es ist anderen zu vergeben, um selbst Vergebung zu erlangen. Und ja, als Psychologin sollte ich auch verinnerlichen, wie wichtig Vergebung für den inneren Frieden ist. Ich weiß es ja auch, aber ich fühle es zum ersten Mal! Dies mag auch mit meinem anstehenden Studienabschluss zusammenhängen. Ich merke vielleicht erst jetzt, wie gut es mir tat, als mir die Last des Studiums in den letzten Tagen immer mehr von den Schultern fiel und suche jetzt deshalb nach anderen Dingen, die ich auch fallen lassen kann.

Wenn ich daran denke, wie oft ich im Ramadan schon gefragt wurde, ob es denn nicht schwierig ohne Essen und Trinken sei, muss ich schmunzeln. Ich faste seit Jahren ohne Probleme, aber für meine heutige Erkenntnis habe ich so einige Jahre gebraucht.

Ich bin fest entschlossen. Diesen Monat werde ich Allah um Vergebung bitten. Nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen, denen ich bisher nie wirklich vergeben konnte. Schon das Abtippen dieses Satzes verleiht mir ein Gefühl von Freiheit und eine Art Geborgenheit. Plötzlich entsteht so viel Raum in mir für schönere Dinge. Es fühlt sich wie ein Neuanfang an.

Weitere Ramadan Tagebuch-Einträge findet ihr hier. Ich wünsche euch einen gesegneten Ramadan!

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