Ramadan ist vorbei und was bleibt? Wahrscheinlich haben wir uns alle vorgenommen, bessere Gewohnheiten zu entwickeln und uns von unnötigen Dingen dauerhaft zu trennen. Und hier setzt auch die KonMari-Methode an. Vielen ist sie aus der Netflix Dokuserie „Aufräumen mit Marie Kondo“ bekannt. Wir führten hierzu ein Gespräch mit Béa Bänziger oder auch Madame Tidy, eine der wenigen KonMari Beraterinnen in Deutschland. Lest, wie sie zur KonMari Methode gefunden hat und erhalten exklusive Einblicke in den neuen Trend.
BASMA: Frau Bänziger, Sie sind eine der wenigen zertifizierten KonMari Beraterinnen in Deutschland. Können Sie uns bitte Ihren beruflichen Werdegang, bevor Sie sich hierfür entschieden haben, beschreiben?
Béa Bänziger: Ich war in meinem „früheren Leben“ Bibliothekarin, habe anschließend Spanisch, Deutsch und BWL studiert und arbeitete dann in der Presseabteilung eines Seminarveranstalters und eines Verlages. Als ich mit meinem Mann nach London zog, war ich dort bei Amazon Buying Analyst für Musik und später für Bücher. Wieder zurück in Frankfurt kümmerte ich mich einige Jahre hauptberuflich um unsere drei Kinder. Zwischendrin nahm ich ein Jahr lang an einem online-Lehrgang in creative writing teil. Diesen Kurs schloss ich jedoch nicht ab und war weiterhin auf der Suche nach einer sinnvollen erfüllenden Tätigkeit neben des Mama-Jobs.
BASMA: Wie sind Sie zu KonMari gekommen? Gab es einen Auslöser und was hat Sie besonders angezogen?
Béa Bänziger: Ich hatte vor, meiner Mutter beim Aufräumen ihres Hauses zu helfen. Bei meiner Recherche stieß ich auf Marie Kondos Buch „Magic Cleaning“ und war sofort begeistert von ihrer Herangehensweise. Ich fand, meine Siebensachen hätten ein systematisches Aussortieren ebenso nötig und fing voller Elan mit dem Großprojekt an. Das Faszinierende fand ich, dass es nicht nur um das physische, sondern auch um das mentale Aufräumen geht.
BASMA: Wie verläuft die Ausbildung zur Beraterin?
Béa Bänziger: Als erstes muss man Marie Kondos Bücher lesen und seine eigenen Sachen nach der KonMari-Methode aufräumen. Dann kann man sich für eines der dreitägigen Seminare anmelden und dieses absolvieren. Anschließend kommt die praktische Phase, in der man mindestens zehn Aufräumsessions mit mindestens zwei Kundinnen oder Kunden durchführen muss. Über diese Sessions schreibt man Berichte, welche vom KonMari-Team akzeptiert werden müssen. Der letzte Schritt ist ein online-Test.
„Macht mich das glücklich?“
BASMA: Erklären Sie uns bitte die Grundlagen der KonMari-Methode!
Béa Bänziger: Nach der KonMari-Methode aufzuräumen heißt:
- Seine ganzen Sachen perfekt und in relativ kurzer Zeit aufzuräumen
- Sich selbst gegenüber zu verpflichten, den ganzen Prozess durchzumachen
- Bevor man mit dem praktischen Aufräumen anfängt, sich seinen idealen Lebensstil auszumalen
- Nicht nach Räumen, sondern nach Kategorien in folgender Reihenfolge aufzuräumen: Kleidung, Bücher, Papier, Komono (japanisch für Verschiedenes, Allerlei) und Erinnerungsstücke
- Immer in zwei Schritten vorzugehen: erstens, aussortieren: was will ich behalten, was nicht? Zweitens, für die zu behaltenden Sachen einen festen Standort festlegen und immer dorthin zurücklegen
- Um zu entscheiden, was ich behalten will und was nicht, jeden Gegenstand in die Hand nehmen und sich die Frage stellen: Macht mich das glücklich? Bringt es mir Erfüllung? Unterstützt es mich in meinem Alltag?
- Was ich weggeben will, mit Dankbarkeit verabschieden
BASMA: Wie erklären Sie, dass Aufräumen und Ausmisten anscheinend so sehr den Zeitgeist treffen?
Béa Bänziger: Wir sind heutzutage von so vielen Dingen, Terminen und Möglichkeiten überschwemmt, dass wir manchmal überfordert sind. Daher ist die Suche nach einem einfacheren und leichteren Leben glaube ich eine natürliche Gegenbewegung. Viele Menschen finden in einem geordneten Zuhause eine Sicherheit, die ihnen die Welt draußen nicht bieten kann.
BASMA: Fällt es den Klienten in der Regel leicht, sich von den Habseligkeiten zu trennen? Kann jeder das Gefühl der Glückseligkeit ohne weiteres nachempfinden, wenn man ein Teil in den Händen hält, oder haben einige Menschen damit Schwierigkeiten?
Béa Bänziger: Es gibt viele Menschen, denen das Loslassen zu Beginn nicht leicht fällt. Vor allem, wenn diese Gegenstände mit Erinnerungen und Emotionen aufgeladen sind oder wenn sie ein Geschenk waren. Das ist oft auch der Grund, weshalb jemand professionelle Unterstützung wünscht. Das Glücksgefühl zu empfinden und überhaupt zu wissen, wie sich das anfühlt, ist eine Sache, die etwas trainiert werden muss.
BASMA: Wie kann man Kinder mit einbinden?
Béa Bänziger: Kinder sind – wie manche Erwachsene auch – zu Beginn nicht so angetan, wenn es ums Aufräumen geht. Wenn sie aber sehen, dass Mama oder Papa Spaß dabei haben und sie sehen, dass es nachher so schön aussieht, sind sie oft begeistert mit dabei. Ab etwa vier Jahren können Kinder tatsächlich schon selbst entscheiden, was sie gerne mögen und was nicht. Auch das Kleiderfalten ist oft ein tolles Spiel für Kinder.
BASMA: Wie viele Wochen muss man für den Prozess einplanen?
Béa Bänziger: Die Zeit, die man für den gesamten Aufräumprozess braucht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Ganz entscheidend natürlich von der Menge der Sachen, die man besitzt. Aber auch von der Zeit, die man für die Entscheidungsfindung benötigt und der Zeit, die man sich für das Aufräumen reserviert. Wenn z.B. jemand alleine in einer Zweizimmerwohnung lebt, nicht sehr viele Sachen besitzt und jetzt eine Woche zur freien Verfügung hat, kann er oder sie in einigen Tagen alles fertig aufgeräumt haben. Wer jedoch mit seiner Familie in einem großen Haus wohnt und jahrelang Sachen angesammelt hat, sich jetzt schwertut beim Loslassen und nur an den Wochenenden Zeit zum Aufräumen hat, wird einige Monate für sein oder ihr Aufräumprojekt brauchen.
„Ich werde selbstsicherer durch die vielen Entscheidungen, die ich getroffen habe.“
BASMA: Welche Auswirkungen hat es auf den späteren Alltag?
Béa Bänziger: Es hat zuerst einmal ganz praktische Auswirkungen: Ich finde Dinge leichter, weil ich weniger Gegenstände habe und sie übersichtlicher eingeräumt sind. Ich muss nicht Sachen doppelt anschaffen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich sie bereits habe oder sie nicht finden kann. Dadurch spare ich Zeit und Geld und gewinne mehr Gelassenheit und Ruhe. Da es aber wie schon erwähnt nicht nur um das physische Aufräumen geht, hat das Aufräumen à la KonMari weitere Auswirkungen, die sich in andere Lebensbereiche ausdehnen: Ich werde selbstsicherer durch die vielen Entscheidungen, die ich getroffen habe. Ich kann, dadurch, dass ich mehr Platz, sowohl räumlich als auch mental habe, vielleicht lang gehegte Wünsche in die Tat umsetzen: ein Hobby oder eine Tätigkeit, die ich schon lange ausprobieren oder wieder aufnehmen möchte oder eine berufliche Neuorientierung.
BASMA: Wie schwer und realistisch ist es, nicht wieder in alte Muster zu verfallen?
Béa Bänziger: Es geht darum, sein Mindset zu ändern. Also die Einstellung zu seinen Sachen und durch sie zu sich selbst zu verändern. Wenn ich die gesamte Aufräumreise vollendet habe, weiß ich, wie ich mich mit Dingen umgeben kann, die mich glücklich machen. Dadurch möchte ich auch in anderen Bereichen nach dem Kriterium „Was macht mir Freude?“ leben. Dieses Bedürfnis, sich mit dem zu umgeben, was ich mag, ist ganz klar eine große Motivation, dabei zu bleiben. Zu Beginn muss ich einfach aufpassen, dass ich die neuen Gewohnheiten, vor allem das Zurücklegen der Gegenstände, konsequent durchführe bis sich diese ganz automatisch in mein Leben integrieren.
BASMA: Gerade Kleidung ist ein heikles Thema. In den Zeiten von Fast Fashion fällt es schwer, nicht in Konsumrausch zu verfallen und wieder Unmengen an unnötigen Kleidungsstücken zu horten. Wie ist Ihre Erfahrung, gibt es hier nach der Beratung Probleme?
Béa Bänziger: Dadurch, dass ich jedes Kleidungsstück in die Hand nehme und bewusst auswähle, was ich behalten möchte (und den Fokus nicht etwa darauf richte, was ich wegwerfen möchte), lerne ich schon eine ganze Menge. Was steht mir wirklich, welche Farben und Materialien mag ich etc. So erkenne ich Fehlkäufe, die ich getätigt habe und kann sie in Zukunft versuchen zu vermeiden. Durch die Beschäftigung mit den Dingen und mit sich selbst wird man im Allgemeinen auch konsumbewusster und viele Kundinnen fangen an, sich für nachhaltige Alternativen zu Fast Fashion zu interessieren (nachhaltige Marken, Kleidertausch etc.)
„Jede Person kann das Aufräumen erlernen, manchmal braucht es einfach ein bisschen länger.“
BASMA: Welchen Rat geben Sie Ihrer Kundschaft mit?
Béa Bänziger: Sich auf diesen Prozess einzulassen, seiner Intuition zu vertrauen und neugierig zu schauen, was mit einem passiert. Jede Person kann das Aufräumen erlernen, manchmal braucht es einfach ein bisschen länger, bis man wirklich wieder zu seinen Ressourcen vordringt.
BASMA: Sie haben durch Ihre Tätigkeit gewissermaßen Zugang zum innersten und privaten Ihrer Klienten und sicherlich auch die eine oder andere emotionale Situation erlebt. Haben Sie zu Schluss noch irgendeine besonders schöne Anekdote? Béa Bänziger: Ich bin manchmal überwältigt, wie viel sich nach dem Aufräumen tut bei den Kundinnen. Eine Kundin erzählte zum Beispiel, dass sie jetzt in eine kleinere Wohnung umziehen wird und sich emotional von ihren erwachsenen Kindern lösen kann.
BASMA: Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: „An meinem Beruf als KonMari Beraterin mag ich besonders, dass…“
Béa Bänziger: … ich Menschen zu einem glücklicheren Leben verhelfen kann, indem ich mit ihnen zusammen herausfinde, was wichtig für sie ist.
BASMA: Vielen Dank für das Gespräch!
Und, schon die KonMari-Methode ausprobiert? Zeigt Eure Vorher-Nachher Bilder unter dem #konmari und tagt uns mit @basmamagazine. Wenn Ihr mehr zu Frau Bänziger erfahren wollt, besucht auch ihre Website.