Oh Canada: Familienurlaub im Osten Kanadas

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Solange die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln.  Sind sie älter geworden, gib ihnen Flügel.  So lautet ein Sprichwort. Reisen mit Kindern ermöglicht beides! Lest hier den Reisebericht aus Kanada und lasst euch inspirieren, wenn ihr eine wunderschöne Zeit gemeinsam mit der Familie unterwegs verbringen wollt.

Es war unser viertes Mal in Kanada. Wir haben bereits zuvor Land und Leute schätzen gelernt und die Route stand auch schon fest: Ankunft war in Montreal. Dann sollte es weiter zur Familie in die Hauptstadt Ottawa gehen und von dort aus in die Metropole Toronto. Zuvor haben wir uns einen Mietwagen organisiert,  um unabhängig und flexibel zu sein – eigentlich ein Fremdwort für junge Eltern. Trotz aller oder vielleicht gerade vielleicht wegen der Herausforderungen, die so ein Familienleben in der Ferne mit sich bringt, haben wir den Schritt mal wieder gewagt.

Anreise


Die Anreise hatte es in sich! Direkt nach einer durchfeierten Nacht (wir waren auf einer Hochzeit)  haben wir den Flug nach Paris in aller Früh genommen. Nach einem Aufenthalt von 5 Stunden ging es endlich mit dem Anschlußflug nach Montreal weiter, der 8 Stunden dauerte. Nachdem das anfängliche muffig-Sein der Kinder überwunden war, wofür ich jedoch ein gewisses Verständnis hatte (wer friert nicht, wenn er nach 3 Stunden Schlaf morgens um 4 Uhr zum Flughafen muss), stellte sich bald die Vorfreude ein. Die Suche nach dem richtigen Terminal wurde kurzerhand zur Schnitzeljagd, bei der die Kinder sich an den Buchstaben und Nummern des Gates orientieren mussten. An Bord gab es ein Kinderprogramm, welches wir versucht haben, wohl dosiert einzusetzen. Ehrlich gesagt war es wesentlich großzügiger als zu Hause, aber wer will schon 8 Stunden neben hyperaktiven Kindern, aufgeputscht durch non-stop Videospielen verbringen. Also haben wir uns darauf geeinigt, einen Film auszusuchen und 1 Stunde Videospielen – alles mit Pausen.

Mont Tremblant und Umgebung


Der Mietwagen wurde am Flughafen abgeholt und wir verbrachten 2 Nächte in Laval, was etwas nördlich von Montreal liegt. Dies ist nicht nur preislich günstiger, gerade wenn man ein Zimmer für eine fünfköpfige Familie braucht. Es war auch ein guter Ausgangspunkt für die Fahrt in den 114 km entfernt gelegen Nationalpark bei Mont Tremblant. Dies war unser erstes Ziel, denn wegen der hohen Temperaturen haben wir uns für einen Ausflug hierhin entschieden, statt den ersten Tag wie geplant  in Montreal zu verbringen. Es hat sich wirklich gelohnt. Eine Übersicht mit allen Ausflugsmöglichkeiten erhält man vor Ort und sogar speziell für Kinder je nach Altersstufen.
Ich weiß gar nicht mehr, was unser ursprünglicher Plan war, denn wir haben uns verfahren. Durch Zufall sind wir auf einen Bootsverleih aufmerksam geworden. Wir mieteten uns ein Kayak und wurden etwa 10 km von der Basis entfernt mit einem Bus abgesetzt. Wir hatten 3 Stunden Zeit, zurückzufinden. Abenteuer pur, was zur Familientherapie wurde. Wir hatten natürlich alle unterschiedliche Meinungen, über das Wo und Wie. Letztendlich wurde unser Familiensinn und Zusammenhalt erst gestärkt,  als wir es uns zum Ziel gemacht hatten, eine andere Familie einzuholen. So haben wir einen wunderschönen Tag verbracht,  ab und zu machten wir an den Sandbänken des Flusses, dessen Wasser nicht sehr tief war (teilweise mussten wir das Boot anschieben), Halt, um zu schwimmen oder uns mit dem mitgebrachten Proviant zustärken. Die ganze Action machte die Kinder sehr müde, sodass wir eine ruhige Nacht verbrachten.

Montreal


Am nächsten Tag ging es dann nach Montreal, der grössten Stadt im französischsprachigen Quebec. Der Flair ist sehr europäisch, vor allem in der Altstadt, zu der es uns hinzog und die gerade im Sommer viele Aktivitäten für Familien anbietet. Am Hafen liegt auch das Centre des Science, ein Museum mit vielen interessanten Ausstellungen gerade für Kinder. Den ganzen Vormittag haben sie sich in den diversen Kategorien austoben und probieren können. Mittags ging es zu den nah gelegen Food Trucks, bei denen wir überteuerte Pommes kauften. Wir wollten in der Nähe bleiben, denn wir hatten für den Nachmittag Fahrräder zum Ausleihen vorbestellt – typisch deutsch eben, wie mit dem Handtuch morgens am Pool die Liegen zu reservieren. Es war wahrscheinlich richtig unnötig, aber der Angestellte nahm unser Anliegen freundlich entgegen.
Der Verleih stellte uns auch eine Karte mit diversen Routen, wir entschieden uns für die kürzeste, die letztendlich doppelt so lang wurde, weil wir uns natürlich wieder verfahren haben. Unser ältester Sohn überhörte jede Anweisung, weil er wie immer am Tagträumen war. Unser mittlerer Sohn gelangte mehrmals beinahe in den Gegenverkehr und die Kleinste war beleidigt, weil sie in den Anhänger musste. Mein Mann war genervt, weil wir den Weg nicht fanden und mein Kleid verhedderte sich in den Speichen, mitten auf der Strasse. Ich konnte weder vor noch zurück und musste breitbeinig mit dem Fahrrad zwischen den Beinen mich zu Fuß in Sicherheit bringen, denn meine Familie bemerkte natürlich nichts.
Würden wir die Fahrradtour nochmal machen? Auf jeden Fall!

Ottawa


Mit dem Auto ging es am frühen Abend weiter ins 2 Stunden entfernte Ottawa. Wir wollten die Familie überraschen, was uns auch gelungen ist. Ottawa ist nicht unbedingt eine touristische Attraktion, wenn wir keine familiären Verbindungen hier hätten, wäre der Aufenthalt hier wahrscheinlich wesentlich kürzer. Trotzdem gibt es diverse Ausflugsziele, wie z. B. das Spassbad Calypso oder der Park Gatineau. Hier kann man auch Hütten mieten. Das Naturkundemuseum der Stadt ist auch einen Besuch wert.
Wir verbrachten hier eine Woche, was uns urlaubsplanmässig sehr entgegen kam: Die Kinder waren mit ihren 10000 Cousins und Cousinen beschäftigt, wir konnten unsere Wäsche waschen und um das Essen mussten wir uns auch keine Sorgen machen. Alles im allem kamen wir zur Ruhe.

Toronto


Die letzten Tage verbrachten wir in Toronto, wo wir ein Haus über Airbnb mieteten. Wir machten uns auf den Weg in den High Park. Die Anlagen bieten viele Möglichkeiten für Kinder zum Spielen z.B. ein riesiges Holzschloss. Ein kleiner Zoo ist auch vorhanden – sogar umsonst. A propos umsonst, es gibt freien Eintritt in den kommunalen Schwimmbädern Torontos. Auch hier verbrachten wir Zeit mit Familienangehörigen aus der Stadt.
Alles in allem waren war es eine wunderbare Zeit und bestimmt nicht unser letzter Familienurlaub dort. Das Land bietet nicht nur viele Möglichkeiten für Familien, sondern auch für Minderheiten. Während in Deutschland die Özil Debatte anfing, ein Paradebeispiel dafür, wie einfach man aus dem „wir“ zum „ihr“ oder gar „sie“ bzw. „die“ rauskonjugiert wird, schauen meine Kinder Zeichentrickfilme, in denen auch wirklich verschiedene, also vielfältige Charaktere vorkommen – u. a.  mit Hijab. Der Leitspruch von Toronto lautet „Diversity is our Strength“. Dieses klare Bekenntnis ist in ganz Kanada bemerkbar. Wer seinen Kindern zeigen möchte, dass Respekt, Teilhabe, Repräsentation und Normalität möglich sind, für den ist Kanada das richtige Ziel. Für alle anderen, die endlose Landschaften und kulturelle Highlights erleben möchten natürlich auch.

10 Tipps für das Reisen mit Kindern


1. Listen
Im Vorfeld schon Listen anfertigen, was gepackt werden muss. Immer wenn einem etwas einfällt, ab damit auf die Liste. So läuft man weniger Gefahr etwas zu vergessen oder auszuticken, weil man alles auf einmal machen muss.
2. Online Check in etc.
Informiert euch über die Möglichkeit des online Check-in oder auch die Gepäckabgabe am Vorabend. Das spart euch Zeit und vor allem Stress, wenn es losgehen soll.
3. Beschäftigung unterwegs
Packt etwas für die Kinder zur Beschäftigung unterwegs ein. Dies können kleine Malstifte, ein Notizblock, Karten oder andere Spiele im Reiseformat, die sich nicht unbedingt verstreuen lassen,  Büchlein etc. sein. Denkt euch auch kreative Spiele für Zwischendurch aus, z.B. Prophetennamen nennen, Hauptstädte Ländern zuordnen, Schere-Stein-Papier  etc..
4. Thema Erziehung
Der ein oder andere peinliche Moment wird unumgänglich sein. Aber ganz ehrlich, lasst euch davon nicht verunsichern (Kinder scheinen einfach ein Gespür dafür zu haben, wann sie die Grenzen testen können). Besprecht mit euren Kindern im Vorfeld klare Regeln. In der Umsetzung seid einfach wie zu Hause, konsequent oder inkonsequent – egal was die Leute denken. Bleibt euch selbst treu und schert euch nicht um die Blicke. Wenn die kleinen Superanalytiker erstmal begriffen haben, dass ihr je nach Situation anders reagiert, wird es viel schwieriger, an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Teilt euch auch die Betreuung während der Reisezeit mit eurem Ehepartner ein, so dass der eine oder andere auch mal eine Pause machen und abschalten kann.
5. Land und Leute
Reisen soll im besten Fall den Geist öffnen. Es muss nicht zur pädagogisch ausgefeilten Kulturtour werden, aber Kinder sind wie Schwämme und saugen alles auf. Und sie sind Meister darin, bestehende Normen zu hinterfragen, deswegen setzt euch gerne auch mit der Kultur und Sprache des jeweiligen Landes gemeinsam auseinander.
6. Proviant
Immer Proviant dabei haben, damit das Totschlagargument für schlechte Laune: „Ich hab Hunger“ gar nicht erst aufkommt. Falls etwas übrig bleibt,kann man es am Abend essen.
7. Kein Hardcore Programm
Bei allem Tatendrang tut es auch gut, einfach mal die Seele baumeln zu lassen. So vermeidet man unnötigen Druck.
8. Wunschliste
Macht eine Wunschliste, auf der jeder eine Aktivität vermerken kann, die gemeinsam unternommen wird. So vermeidet ihr, dass sich irgendjemand benachteiligt fühlt bzw. habt ein Argument, falls es doch jemand tut.
9. Social Media Pause
Klar will man die schönen Momente festhalten und sogar teilen. Aber anstatt den Moment an sich zu genießen, nehmen wir ihn durch das Display unseres Smartphone wahr. Außerdem ist man ständig abgelenkt.
10. Fotoalbum
Stellt lieber im Anschluss ein Urlaubsalbum zusammen. Hier kann man der Kreativität freien Lauf lassen und die Kinder können sich gut einbringen! Den Urlaub nochmal Revue passieren lassen, was hat Euch gefallen, was nicht?  Ihr werdet sehen, es macht nicht nur Spaß, sondern ist sehr aufschlussreich… vielleicht habt ihr so schon Ideen für den nächsten Urlaub.
Teilt eure Erfahrungen zum Reisen mit Kindern gern mit uns unter #basmafamily oder markiert uns unter @basmamagazine. Wenn ihr mit dem Zug reist, findet Ihr hier hilfreiche Tipps.

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